21.12.2018 – 02.01.2019
Osorno und Chiloé
Am Ende der Carretera Austral wartet Puerto Montt auf uns. Eine recht große Stadt mit sehr guter Versorgungslage, aber leider wenig Charme. Am ehesten ist hier Angelmo sehenswert. Der Stadtteil liegt unten am alten Fischereihafen. Hier findet man auch den alten Fischmarkt und viele andere Verkaufsbuden. Ganz in der Nähe kommen wir auf einem Campingplatz unter, der in wirklich guter Lage in der Stadt sogar mit einem eigenen kleinen Wasserfall aufwarten kann. Er hätte also das Zeug zu einem wirklichen Hot Spot. Leider ist alles verranzt und runter gekommen und in der Dusche wird man sogar unter Strom gesetzt. Wir suchen also das Weite und drehen eine Runde um den Lago Llanqihue und fahren dazu zunächst in Richtung Petrohue am Lago Todo los Santos. Die Fahrt entlang des Lago Llanqihue wird dominiert vom Vulkan Osorno, der majestätisch und mit Schnee bedeckt über dem See aufragt. In Puerto Varas kommen wir an einem Jumbo Supermarkt vorbei, der allerlei Importwaren im Sortiment hat, u.a. auch viele leckere Dinge aus unserer Heimat. Kurz vor Weihnachten darf man da schon mal schwach werden.
Aber bevor die Reisekasse komplett geplündert ist, schaffen wir es, uns von den Regalen loszureißen und doch noch nach Petrohue zu fahren. In Petrohue selbst sind wir einigermaßen vom Touristenrummel überrascht. Der Ort scheint bei den Einheimischen ein sehr beliebtes Ausflugsziel zu sein. Man kann hier mit Booten über den See schippern, Angeln, oder mit dem Schlauchboot über den Fluss raften. Die Touris werden busseweise angekarrt und wir sehen recht schnell zu, dass wir wieder weiter kommen. Für die Nacht suchen wir uns ein kleines Plätzchen am wilden Fluss und graben da tatsächlich das erste Mal den Toyota ein. Wir stehen auf Vulkanasche, oder viel mehr auf „Vulkankies“ und wollen eine eigentlich harmlose Steigung hinab zum Ufer des Flusses. Der Untergrund macht auch eigentlich einen recht festen Eindruck, aber eben nur eigentlich. Denn die Lavasteinchen sind so porös und leicht wie diese kleinen Steinchen, die man auch in Blumentöpfe kippt. Sobald da ein Rad auch nur leicht durchdreht, fliegen die durch die Luft. So auch bei uns. Und anstatt nach vorne, geht die Fahrt nur nach unten. Alte Regel beim Auto eingraben: Wer seine Niederlage frühzeitig eingesteht, muss weniger buddeln. Also belassen wir es bei einem erfolglosen Versuch in Untersetzung und mit allen Differenzialsperren und holen lieber gleich den Klappspaten und die Sandbleche raus. Die Rettungsaktion geht dann aber auch recht zügig von Statten, denn die orangen Bergehilfen aus Australien, die nun endlich mal vom Auto geschnallt werden dürfen, funktionieren erschreckend effizient. Im Nu ist das Buschtaxi wieder auf sicherem Geläuf. Der Platz oberhalb des Ufers ist auch nicht weniger schön, als der direkt am Wasser und zum Sonnenuntergang genießen wir, wie der Osorno erst von einer Seite von der Sonne rot und dann bei Dunkelheit von der anderen Seite vom aufgehenden Vollmond silbrig angeleuchtet wird.
Und auch der Weg hoch auf den Vulkan bis zur Seilbahnstation lohnt sich. Denn zunächst fahren wir durch die Wolken und stehen oben am Vulkan im Dunst. Als der sich dann nach und nach verzieht, wird der Blick auf den unten liegenden See frei, der in der Sonne glitzert. Das Ganze vom Wanderweg um den kleinen Rojo Krater betrachtet hat schon was.
Die Runde um den Lago Llanqihue komplettieren wir mit einem Besuch in Frutillar. Hier in der Gegend haben sich einst viele deutsche Auswanderer auf Einladung der chilenischen Regierung angesiedelt. Bestaunen kann man das Ganze im wirklich sehr gut gemachten Museumsdorf im Ort. Mit der Deutschtümelei im Ausland hab ich immer so meine Problemchen, aber das Museum ist wirklich sehr sehenswert. Einfach beeindruckend, unter welchen Bedingungen sich die Menschen damals ihren Lebensraum geschaffen haben. Leider stets zu Lasten der Natur, denn die ganze Gegend war damals von Küstenregenwäldern bedeckt, wie wir ihn noch an der Carretera Austral vorfinden konnten. Heute ist davon leider nichts mehr zu sehen.
Sonntags besuchen wir dann, zurück in Puerto Montt, den Fischmarkt in Angelmo. Die alten hölzernen Markthallen haben einen authentischen Charme. Alles ist irgendwie ein bisschen verlebt und man sollte schon was für Fisch übrig haben, bzw. die damit verbundenen Düfte ertragen können. Im Erdgeschoss des Marktes wird der Fisch feil geboten und im ersten Stock werben die Restaurants um Gäste. Die Straßenköter streifen durch die Hallen und auf der Rückseite tummeln sich ein paar abgewrackte, alte Seelöwenmännchen im Hafenbecken. Eine der großen Robben hat es sich oben, unweit der Marktbesucher, bequem gemacht. Der Gute riecht nicht viel besser als die Fischabfälle, die im Müllcontainer vor sich hin oxidieren. Und warum das so ist, führt der Stinker auch gleich mal vor. Denn als einer der Fischer seinen alten Fisch im Container entsorgt, watschelt der Stinker sogleich die Rampe empor und verschwindet Hals über Kopf komplett im Container. Das findet der Fischer allerdings nicht ganz so gut und vertreibt den Schmarotzer unter lautem Gepolter und treibt ihn durch die Menge der Marktbesucher, die in moderater Panik auseinander strömt. Seine Artgenossen können den Stinker aber anscheinend auch nicht wirklich riechen und keifen ihn mit bedrohlichem Gegrunze sogleich an. Dem Ärmsten bleibt nur die Flucht ins Hafenbecken. Aber zumindest tut im das unfreiwillige Bad auch mal gut.
Nach diesem Schauspiel essen wir noch einen Happen und setzen dann ein wenig weiter südlich mit der Fähre nach Chiloe über. Hier verbringen wir die Weihnachtstage stilecht umgeben von den alten Holzkirchen, für die die Insel bekannt ist und von denen einige zum Unesco Weltkulturerbe zählen. Auf Chiloe geht alles ein wenig gemächlicher zu. Wir gurken über die Dörfer, schauen uns dies und das an und bevor wir uns versehen, sind wir auch schon in Quellon am südlichen Ende der Insel angekommen. Die Stadt ist eigentlich ganz nett, aber im Prinzip gibt es nicht viele Gründe hierher zu kommen, wäre da nicht ein ganz prägnanter Punkt auf der Landkarte. Zumindest für alle Panamericana-Fahrer. Denn hier, an der Bucht gegenüber der Stadt, befindet sich der Hito Cero, der Kilometer 0 der Traumstraße der Traumstraßen. Der Panamericana. Völlig unscheinbar und in Form eines wenig schönen Betonmonumentes, aber wer den langen Weg von Alaska auf sich genommen hat, will eines Tages hier stehen.
Der Campingplatz, auf dem wir uns einmieten, ist nett an der Bucht vor der Stadt gelegen. Auf der einen Seite sieht man das beschauliche Quellon, auf der anderen liegt der Hito Cero. Wir haben gutes Wetter erwischt und bei blauem Himmel und klarer Sicht sehen wir auf der gegenüberliegenden Seite auch noch die Anden bis in die Wolken aufragen. Wir bekommen zu Weihnachten doch tatsächlich den ersten Reifenschaden geschenkt. Eigentlich ist es vielmehr ein Ventilschaden, denn vorne rechts verlieren wir dort Luft. Also Werkzeug raus und Rad getauscht.
Der zweite Weihnachtstag ist in Chile kein Feiertag und alle Geschäfte haben wieder regulär geöffnet. Das kommt uns entgegen, denn den heutigen Tag müssen wir mit Warten auf die Fähre verbringen. Die Wartezeit überbrücken wir beim Reifenmann, im Supermarkt und beim Frisör. Der Dienstleistungsschwellenpreis in Quellon scheint bei 4.000 Pesos zu liegen. Ventil am Ersatzrad tauschen, 4.000 Pesos. Haare schneiden 4.000 Pesos. Das sind umgerechnet grade mal etwas mehr als 5 Euro. Mit der Frisörin handle ich aus, dass etwa 2 Zentimeter abgeschnitten werden sollen. Frohen Mutes geht sie ans Werk und wenig später liegt mein hellblond ausgeblichenes Haupthaar am Boden und ich werde wohl für den Rest der Reise nicht mehr zum Frisör müssen. Janina kann sich ein „leichtes Schmunzeln“ nicht verkneifen. (@Florian: es ist bewiesen, deine Frisur kann ich auch tragen…)
Den Rest des Nachmittags verbringen wir dann am Strand im „Schatten“ des Hito Cero Monuments und beobachten die hiesige Fussballjugend, wie sie in der Mittagshitze im heißen Sand trainiert. Die scheinen alle den gleichen Frisör zu haben wie ich…..
Am späten Abend schauen wir dann wie verabredet bei den Jungs im Fährbüro vorbei. Sie lassen uns wissen, dass das Schiff wie geplant ablegen wird und die Autos ab 01:30 Uhr (ja, Nachts) an Bord können. Allerdings gibt es in Quellon kein wirkliches Hafengelände, die Laderampe zweigt mehr oder weniger direkt von der Straße am Hafenbecken ab. Daher parken wir das Auto an der Promenade und klappen das Dach auf, um ein wenig zu schlafen, was allerdings doch recht schwer fällt. Denn der Verkehr fließt direkt neben uns weiter und hin und wieder wabert eine Note von gebrauchtem Fisch vom Hafen her durchs Fahrzeug. Mitten in der Nacht pilotieren wir dann das Taxi im Halbschlaf an Bord der Fähre und bevor wir ablegen, liegen wir auch schon wieder im aufgeklappten Dach an Deck des Schiffes und versuchen uns von dem sanften Geschaukel der Wellen in den Schlaf wiegen zu lassen.
Früh am nächsten Morgen treffen wir erneut in Chaiten ein und verkrümeln uns an einen nahe gelegenen Strand, um unseren Schlafmangel auszukurieren, heute wird gefaulenzt, eventuell noch den Seelöwen und Delfinen beim Toben im Wasser zugesehen.
Frisch ausgeruht schauen uns Chaiten und den umliegenden Pumalin Park etwas genauer an. Die Spuren des Vulkanausbruches von 2008 kann man der Stadt teilweise noch ansehen. Besonders der Strand ist noch vollkommen verwüstet. Den Großteil der Stadt haben die Bewohner aber wieder aufgebaut und das Leben nach der Katastrophe ist längst wieder hierher zurück gekehrt. Beim Wandern im Pumalin Park treffen wir ein Paar im Mercedes Krankenwagen Sprinter mit Steinfurter Kennzeichen. Die Welt ist ein Dorf.
Wir queren erneut die Anden und folgen dazu dem Lauf Rio Futaleufu, ein Mekka für Wildwasser-Sportler. Vorbei am von Walisern gegründeten Trevelin und Esquel fahren wir in Richtung El Bolson.
Heute ist Markttag und El Bolson ist bekannt für seine Hippie und Künstlerszene. Allerlei Krimskrams wird hier feilgeboten. Etwas merkwürdig ist allerdings, dass jemand in der Menge unsere Namen ruft. Leicht verdutzt blicken wir in die Runde und entdecken die beiden Kölner, die wir vor ein paar Wochen in einer der Unterkünfte auf der Carretera Austral getroffen und dort mit ihnen bis spät in die Nacht getratscht hatten. Natürlich werden auch jetzt Reiseneuigkeiten ausgetauscht.
Reichlich spät stehen wir dann am Abend vor dem Tor von Klaus und Claudia. Hier hatten wir uns schon auf der Hinfahrt zur Valdes Halbinsel einquartiert und somit mehr oder weniger unsere Patagonien Rundreise begonnen. Passenderweise werden wir hier auch die Runde beenden und auch gleich das Jahr 2018. Denn mit einigen anderen Overlandern, einem Paar im Steyr 12M18 aus der Schweiz und den Steinfurtern im Sprinter, sowie Klaus und Claudia nebst Tochter, feiern wir hier Silvester. Dazu wurde extra eines der Lämmer, die bei unserer letzten Durchreise grade erst ein paar Tage alt waren, geschlachtet, um es am Abend auf dem offenen Lagerfeuer zu grillen. Wir kommen also gut ins neue Jahr. Am 01. Januar fährt natürlich niemand Auto und der ein oder andere aus der Truppe muss eh erst mal seinen Kater auskurieren. Somit kommen wir erst am 02. Januar wieder von hier los und steuern weiter die Ruta 40 herauf, immer weiter Richtung Norden.