05.07.2019 – 18.07.2019
San Pedro, Salta, Santa Cruz
So ganz will uns San Pedro de Atacama nicht gefallen. Der kleine Ort mit seinen staubigen Straßen hat sich zum Touristen-Mekka entwickelt und dementsprechend voll ist es hier. Mit dem Massentourismus sind hier auch die Preise explodiert. Das gilt sowohl für die Unterkünfte und Restaurants, als auch für die Attraktionen in der Umgebung. Das meiste davon haben wir in jüngster Vergangenheit so, oder so ähnlich, schon anderswo gesehen, vielleicht der Fluch des Langzeitreisenden. Im Prinzip hätte uns hier noch das Valle de la Luna gereizt, aber das kann man seit Kurzem auf eigene Faust nur noch bedingt erkunden. Zum Sonnenuntergang sind dort nur noch Tour-Fahrzeuge erlaubt, Individualreisende werden am späten Nachmittag hinaus geschmissen. Darauf und auf die unverschämt teuren Touren zu Geysieren, Minen und anderen Sehenswürdigkeiten können wir also verzichten und erkunden lediglich die Stadt an sich.
San Pedro ist auch die letzte gemeinsame Station zusammen mit Martin und Liliana. Hier werden sich unsere Wege definitiv trennen. Während die Beiden demnächst im gestreckten Galopp gen Süden brausen, werden wir eher in Richtung Osten unterwegs sein. Also wird am letzten gemeinsamen Abend in der Küche des Campingplatzes noch einmal zusammen gekocht. Und weil wir vor ein paar Tagen auf der Lagunenroute noch weihnachtliche Stimmung beim selbstgemachten Glühwein hatten, liegt es doch ziemlich nahe, beim Essen nun auch noch „Dinner for one“ zu schauen, hat ja irgendwie Tradition.
Tags drauf setzen wir die Reise in unterschiedliche Himmelrichtungen fort. Wir wählen dazu den „Paso Sico“, den südlicheren der beiden möglichen Pässe. Auf der Internetseite „pasosfronterizos.com“ kann man im Vorfeld checken, ob die Pässe derzeit geöffnet sind, was im Südwinter nicht selbstverständlich ist. Für den Sico bekommen wir grünes Licht angezeigt und schon sprintet der Landcruiser wieder hinauf ins Andenhochland. Unterwegs queren wir mal wieder den Wendekreis des Steinbocks, der die Grenze zu den Tropen markiert, nicht das letzte Mal. Der Pass ist eigentlich nicht sonderlich steil, so dass wir recht zügig vorankommen und erneut diese einzigartige Andenlandschaft genießen können. Oben auf der Passhöhe ist dann ein kurzes Stück der Straße mit Schnee bedeckt, der aber schon von zwei Räumfahrzeugen zur Seite geschafft wird. An der eigentlichen Grenze findet man nur noch die alten Hinweisschilder aus Blech, die Grenzabfertigung findet ein paar Kilometer weiter in Argentinien statt. Dorthin geht es nun auf Schotter weiter und gegen Mittag schlagen wir am Grenzposten auf.
Eine kurzer Check der chilenischen Seite und wir müssen feststellen, dass alles geschlossen ist. So viel zum grünen Licht…. Das wäre eigentlich schlecht, denn wenn wir hier nicht durchkommen, würde das einen mehrere hundert Kilometer langen Umweg über den „Paso Jama“ bedeuten, wenn denn der überhaupt auf hat. Also schauen wir mal rüber zu den Gebäuden der argentinischen Grenzer und finden tatsächlich einen Beamten, der deutlich überrascht aus der Wäsche guckt uns hier zu sehen. Seine Gesten sind eindeutig, heute ist geschlossen. Aber nur wenige Minuten später hat er trotzdem sowohl die argentinischen als auch die chilenischen Grenzer zusammen getrommelt, um uns doch noch abzufertigen. Zwei Touris beschäftigen hier jetzt ganze acht Grenzbeamte. Polizei, Zoll, Immigration und Verkehrsbehörde sind zur Grenzüberschreitung notwendig und das pro Land. Die Kollegen sind teilweise im Freizeitlook unterwegs. Der Eine taucht mit einer Spielekonsole in der Hand auf und legt sie nur zur Seite, um uns die Stempel in den Pass zu knallen, der Andere im schmuddeligen Unterhemd a lá „Biernot“ sammelt das Einfuhrdokument fürs Fahrzeug ein. Genauso schnell wie sie erschienen sind, sind sie dann auch wieder verschwunden, um den Rest ihres „freien Tages“ zu genießen. Wir sind froh, dass wir doch noch passieren konnten und trudeln auf der argentinischen Seite wieder bergab.
Nach fast einem halben Jahr rollen unsere Räder wieder über die Ruta 40 und wir steuern zunächst das Viadukt des „Tren de las nubes“ an. Tatsächlich tut uns der „Zug in die Wolken“ den Gefallen und quert langsam und gemächlich das hohe Stahlkonstrukt der Eisenbahnbrücke. Da die Sonne schon langsam untergeht, campen wir gleich am Fuße der Brücke und müssen am nächsten Morgen feststellen, dass wir nach langer Zeit mal wieder einen Platten haben. Diesmal verursacht durch eine Schraube. Es ist mal wieder so kalt, dass ich beinahe nicht die Abdeckung des Reserverades herunter bekomme, weil die Finger so steifgefroren sind. Wir sind halt wieder mal jenseits der 4.000 Meter ü.NN. Und auf der weiteren Strecke geht es fast bis auf 5.000 Meter hinauf.
Wir queren den „Abra del Acay“, einem der höchsten befahrbaren Punkte Südamerikas, bei 4.995 Metern und machen dort Bekanntschaft mit dem schon beinahe berühmten Fuchs, der hier oben sein Revier hat. Der Bursche scheint ziemlich kameraaffin zu sein, denn er drängt sich auf beinahe jedes Foto. Besonders das Schild „Jagen verboten“ scheint es ihm angetan zu haben, wie treffend. Auf der Rückseite des Passes geht es dann bis nach Cafayate mehr als 3.000 Meter bergab. Wieder einmal durch eine Bilderbuchlandschaft wie aus einem Western.
In Cafayate machen wir kehrt und biegen auf die Ruta 68 ab, vielleicht die schönste Straße des Landes, die durch rote Sandsteinberge entlang der Quebrada de las Conchas führt. Leider ist gerade Ferienzeit und auch noch Wochenende, somit ist einiges los. Wir campen aber einfach eine Nacht auf der Strecke und entgehen so früh am nächsten Morgen dem Rummel am „Amphitheater“, „Garganta del diablo“ und Co., um nur ein paar der berühmten Sandsteinformationen zu nennen.
Schließlich landen wir in Salta, die den Beinamen „la Linda“ (die Hübsche) trägt. Allerdings scheint uns die Gute etwas in die Jahre gekommen zu sein, denn auf uns wirkt sie etwas abgegriffen und verbraucht. Aber was solls, neben den vielen Weingütern ist der eigentliche Star die Landschaft, in der Salta liegt und die kann sich mehr als sehen lassen. Wir lassen unseren defekten Reifen reparieren (€5,00) und essen das beste Steak (€10,00) der ganzen Reise.
Und schon geht’s weiter. Wir peilen die bolivianische Grenze an und machen auf dem Weg dorthin noch einen kurzen Zwischenstopp in einem eher unbekannten Nationalpark, dem „Parque National Calilegua“. Das Campen ist gratis und wir nutzen die Gelegenheit, um durch den Park zu wandern.
Früh am Morgen legen wir uns am Aussichtsturm auf die Lauer und hoffen, einen der „Großen Tukane“ zu erspähen. Zwar haben wir in Ecuador und Kolumbien schon den einen oder anderen Tukan gesichtet, aber eben nicht den „Toco Tucan“ (für die weniger Interessierten: Dass ist der, den man auf fast jedem Guinness Werbeschild sieht). Wir erklimmen gerade die Stufen hinauf auf den Turm, als wir auch schon einen dieser Vögel durchs Blätterdach erspähen. Sein großer, grell oranger Schnabel verrät ihn, weil er so schön glänzt, obwohl der Himmel trübe und grau ist. Aber schon nach dem Sicherheitsfoto ist der Tukan bereits wieder verschwunden. Oben auf dem Turm angekommen, gibt es für uns erstmal Frühstück und wir sind schon beinahe mit der Ausbeute zufrieden, als wir Zeugen einer Art „Tukan-rush-hour“ werden. 28 große Tukane versammeln sich in den umliegenden Bäumen und entschwinden schließlich gemeinsam gen Horizont.
Wir können zufrieden den Landcruiser anschmeißen und unseren Weg fortsetzen. Es geht vorbei an gigantisch großen Farmen. Hier kann man für zig Kilometer an ein und demselben Maisfeld entlang fahren. Der Grenzposten zwischen Argentinien und Bolivien wird dann wieder spannend. Die Ausreise aus Argentinien ist wieder schnell erledigt, aber die Bolivianer zicken rum. Der Grund ist darin zu finden, dass der freundliche Herr bei der letzten Ausreise über die Lagunenroute vergessen hat, unser Auto aus dem Computersystem „auszustempeln“, der Landcruiser ist somit laut Datenbank nämlich gar nicht erst ausgereist. Scheinbar wollen oder können die Grenzer das auch nicht nachtragen und somit wird das Fahrzeug so behandelt, als wäre es die ganze Zeit in Bolivien verblieben. Von den insgesamt 30 Tagen, die man für den Aufenthalt erhält, verbleiben somit nur noch 10 Tage. Stört uns eigentlich nicht weiter, da wir eh nicht planen, länger zu bleiben, passieren sollte nun aber besser nichts…
Auf der bolivianischen Seite des Grenzpostens ist heute offensichtlich Markt, und die Stände reichen bis auf die Straße hinaus. Ein scheinbar „ehrenamtlicher Mitarbeiter“ der Grenzstation scheucht die Leute von der Straße und macht somit den Weg für uns frei. In Bolivien sieht die Landschaft zunächst auch nicht anders aus als in Argentinien. Landwirtschaft bestimmt das Bild. Eine kurze Abwechslung bekommen wir allerdings in einem kleinen Nest auf der Strecke, als plötzlich einfach die Hauptstraße gesperrt ist. Heute ist Rallye angesagt und die führt mitten durch den Ortskern. Für ungefähr zwei Stunden geht für uns nix mehr, Stillstand. Stattdessen brausen die Rallye Autos durchs Dorf. Nicht ganz die Rallye Dakar, aber trotzdem unterhaltsam. Schließlich ist das letzte Auto durch, die Barrikaden werden auf die Seite geräumt und es entsteht das übliche Verkehrschaos, weil jeder der Erste sein will, der weiter kommt.
Allmählich verändert sich auch die Landschaft. Es wird hügeliger und die großen Ackerflächen werden von immer mehr Buschland abgelöst. Wir streifen hier den Rand des „Chaco“, für den besonders der Westen Paraguays bekannt ist. Ein großes Gebiet aus dichtem, undurchdringlichem Buschwerk. Prinzipiell auch für uns interessant, wir haben derzeit aber ein ganz anderes Ziel und das liegt in einem anderen Nachbarland Boliviens.
Wir erreichen Santa Cruz und treffen auf zwei ganz besondere Pechvögel. Vor ein paar Monaten machte die Nachricht von einem gesunkenen Grimaldi Frachtschiff die Runde, auf dem auch regelmäßig die Fahrzeuge von Reisenden wie uns transportiert werden. Der Kahn hatte Feuer gefangen und war schließlich gesunken. Horst (aus Deutschland) und Heidi (aus den Niederlanden) gehören zu dem „erlesenen“ Kreis derer, die ihr Fahrzeug genau auf diesem Schiff hatten. Mit der Folge, dass sie ihre Südamerikareise zunächst mal ohne fahrbaren Untersatz beginnen mussten. Was für eine Horrorvorstellung. Als wäre das alles nicht schlimm genug, macht das Wohnmobil, das sie nun notgedrungen in Uruguay übernommen haben, permanent Zicken; die Ärmsten. Damit bleibt es dabei, die Quote der Overlander, die ihr Fahrzeug in Südamerika gekauft haben bleibt eindeutig. Wir haben bislang nicht einen getroffen, der nicht ständig am Reparieren wäre. Wir wünschen den Beiden viel Glück, denn sie sind noch am Anfang ihrer Reise und haben noch viel vor…
Wir verlassen Santa Cruz nach nur zwei Nächten und tauchen ab ins bolivianische Hinterland. Hier beginnt das Gebiet der Mennoniten. Gottesfürchtige Menschen in Latzhosen und merkwürdigen Bärten, die vor harter Arbeit nicht zurück scheuen. Sie haben schon vor Generationen das scheinbar unzähmbare Buschland urbar gemacht und betreiben hier nun Farmen, die sich in Größe und Ertrag nicht vor denen der Nachbarn in Argentinien und Brasilien zu verstecken brauchen.
Wir ziehen eine Schleife über San Juan, San Javier und das hübsche Concepcion und biegen schließlich in San Ignacio de Velasco auf die „Straße“ Richtung Brasilien ab.
300 km Wellblech und roter Staub liegen zwischen uns und San Matias, dem Grenzposten zum Nachbarland. Die Einheimischen berichten uns, dass die Route bekannt ist für den nächtlichen „Narco-traffic“ (Drogenschmuggel). Da wir die Strecke bis zur Grenze nicht an einem Tag abspulen wollen, übernachten wir in einem der kleinen Dörfchen entlang der Piste. Unser Lager auf dem Bolzplatz des Örtchens wird hell vom Vollmond beschienen und unbehelligt können wir am nächsten Morgen die Reise fortsetzen. Im Safaritempo geht’s weiter, denn hier in der „Wildnis“ gibt’s bereits eine reichhaltige Tierwelt. Auf zum nächsten Grenzübergang. Ein paar skurrile Einreiseprozeduren haben wir ja schon über uns ergehen lassen, die nächste allerdings wird definitiv die bisher langwierigste werden…..