24.08.2019 – 16.09.2019
Montevideo und Buenos Aires
Natürlich sind auch bei uns mittlerweile die Möglichkeiten der modernen Navigation angekommen. Heutzutage findet man seinen Weg durch die Kontinente per GPS und so machen auch wir das. Zusätzlich jedoch haben wir uns das Reisen mit dem Finger auf der guten, alten Landkarte immer noch bewahrt, das ist irgendwie plastischer. Und so falten wir in regelmäßigen Abständen dieses riesige Stück Papier auf ein handhabbares Maß herunter, auf den Ausschnitt für den oder die nächsten Tag(e). Und heute scheint diesbezüglich ein „historischer“ Tag zu sein. Denn unten in der Ecke des Kartenausschnitts tauchen zwei Städtenamen in fetten, schwarzen Lettern auf. Montevideo und Buenos Aires steht da nicht nur unübersehbar groß geschrieben, wie es sich für Landeshauptstädte gehört, ist es auch noch rot unterstrichen. Sowohl während der gesamten Reise, als auch schon bei der Planung zuvor stand fest, dass hier die Endstationen unserer Südamerikarunde sein würden. In Montevideo geht der Landcruiser aufs Schiff und in Buenos Aires endet unser eigener Aufenthalt auf diesem Kontinent.
Aber noch haben wir gut drei Wochen Zeit. Und die ist für den kommenden Abschnitt reichlich bemessen, denn Uruguay ist nicht gerade bekannt dafür, dass es vor lauter Highlights nur so überquillt. Was aber keineswegs zu bedeuten hat, dass es hier nicht schön ist. Ganz im Gegenteil, es reist und lebt sich hier eigentlich ganz nett, was auch der Grund sein dürfte, dass das Land so beliebt bei Auswanderern ist. Bei der Recherche bezüglich unserer Campingmöglichkeiten für die nächste Zeit stoßen wir, neben vielen einheimisch geführten Unterkünften auch auf ein schweizer, ein holländisches und ein deutsches Camp. Allerdings ist auch das freie Campieren hier kein Problem und das nutzen wir, immer der Küste folgend, in der nächsten Zeit erst einmal aus.
Nur einen Steinwurf von der brasilianisch / uruguayischen Grenze entfernt liegt das Fortaleza Santa Teresa. Eine alte und wirklich gut in Schuss gehaltene Festung aus längst vergangenen Tagen. Das alte Gemäuer liegt in einem kleinen Nationalpark mit angeschlossener Militärbasis. Für die Nacht parken wir den Landcruiser gleich um die Ecke am Ortsrand von Punta del Diablo, einem kleinen Dörfchen, das überwiegend aus Ferienhäusern zu bestehen scheint. Jetzt, völlig außerhalb der Saison, bleiben wir auf unserem Fleckchen hoch oben auf den Dünen vollkommen ungestört und können die Aussicht auf den Atlantik genießen.
Mehr oder weniger geht es in dieser Art und Weise die nächsten Tage und Wochen genauso weiter. Immer entlang der Küste bummeln wir mit ungewohnt geringen Tageskilometerleistungen vor uns hin. Dabei stolpern wir auch über einen skurrilen kleinen Ort im Nationalpark Cabo Polonio. Draußen am Leuchtturm auf den Felsen hat sich eine kleine Gemeinde angesiedelt. Wild verstreute Baracken und windschiefe Häuschen stehen hier in den Dünen. Wasserver- und -entsorgung gibt es hier keine und das dicke Überlandstromkabel versorgt lediglich den Leuchtturm mit Energie. Die Einwohner müssen ohne Elektrizität auskommen und das Ganze versprüht den Charme einer Hippie- und Künstlerkommune, gespickt mit kleinen Hostels und Restaurants. Denn das Örtchen erfreut sich aufgrund seiner Lage und Ausstrahlung recht großer Beliebtheit bei Touristen. Zumindest bei solchen, die mit wenig Komfort auskommen und bereit sind, entweder einen 7 Kilometer langen Anmarsch in Kauf zu nehmen, oder sich von einem großen Allradtruck durchschaukeln zu lassen. Denn Anschluss an das öffentliche Straßennetz gibt es hier keinen. Wer nicht gewillt ist von der Nationalparkgrenze bis ins Dorf zu laufen, muss halt entweder im „Buffalo Soldier“ oder „Optimus Prime“ platznehmen, einem der beiden ausgedienten Militärlaster, die einen dann über tiefsandige Wege kutschieren, durch eine Landschaft, die ein wenig an einen Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide erinnert.
In ziemlich krassem Gegensatz dazu steht etwas weiter südlich die (Groß-) Stadt Punta del Este. Ein mondäner Badeort, in den während der Hauptsaison scheinbar abertausende Urlaubsgäste einfallen, denn von Norden her kommend, fährt man zunächst an unzähligen Apartmenttürmen vorbei, die bei dem heutigen nebligen Wetter in den trüben grauen Himmel ragen. An der Strandpromenade gibt es das Kunstwerk einer überdimensionierten Hand zu bewundern. Ähnlich wie die „Mano del desierto“ in der chilenischen Atacama Wüste auf der anderen Seite des Kontinents, ragen hier die Finger der Skulptur aus dem Sand und wurden tatsächlich auch vom gleichen Künstler geschaffen. Bei dem Wetter heute verirren sich nur wenige Touristen an diesen Ort, um ein Selfie zu schießen. Und auch sonst gleicht Punta del Este derzeit eher einer Geisterstadt. Bei unserer Irrfahrt durch die City stellen wir fest, dass mitten am Tag fast alle Geschäfte und Restaurants geschlossen haben. Wir schauen uns noch schnell das Casa Pueblo an und suchen dann auch schon wieder das Weite.
Wir steuern auf Montevideo zu und spekulieren schon mal die Campingplätze in der Umgebung aus. Wir planen die letzten Tage vor der Verschiffung des Autos auf einem bezahlten Camp zu verbringen, um uns und das Auto für den Sprung zurück über den Atlantik fit zu machen. Dabei sagt uns das holländische Camp am meisten zu. Aber bevor wir uns hier für längere Zeit niederlassen, brechen wir nach nur einer Nacht zu unserem letzten Ausflug auf und steuern Colonia del Sacramento an, einem kleinen reizvollen Städtchen, das es auf die Liste der UNESCO Weltkulturstätten geschafft hat. Von den Portugiesen inmitten spanischer Kolonien gegründet, hat es in seiner bewegten Geschichte immer wieder den „Besitz“ zwischen Spanien und Portugal gewechselt und wurde dabei mal von den Einen und dann wieder von den Anderen weiter ausgebaut und entwickelt. So lernen wir auf einem Stadtrundgang den Unterschied zwischen spanischer und portugiesischer Straßenarchitektur zu unterscheiden. Die Portugiesen bauen ihre Straßen in konkaver Form mit einer zentralen Abflussrinne in der Mitte, die Spanier wölben die Straßen konvex mit je einem Abfluss rechts und links. Auch die Häuser sind anhand ihrer Dachform klar zu unterscheiden. Und da dieser Mix in ganz Südamerika ziemlich einzigartig ist, hat die UNESCO beschlossen, dass das Ganze schützenswert ist.
Im Gegensatz zum Rest des Landes, gibt es hier tatsächlich ein nennenswertes Vorkommen an Touristen. Was vielleicht damit zusammenhängt, dass man recht schnell und unkompliziert mit der Schnellfähre von Buenos Aires hierherkommen kann. Wir campen direkt zwischen den alten Burgmauern und dem Fähranleger am Ufer des Rio de la Plata. Hier münden auf verschlungenen Pfaden auch die Läufe des Rio Uruguay und Rio Paraguay, die unter anderem das Wasser der Iguazu Fälle und des Pantanals hierher transportieren und der Bucht eine rostbraune Färbung verpassen. Wir bleiben zwei Nächte und bummeln durch das nette kleine Städtchen.
Leicht widerwillig geht es dann zurück zu unserem letzten Camp auf dieser Reise. Wir bleiben gleich mehrere Nächte, um auszuspannen und alles für die Verschiffung vorzubereiten. Das Auto wird gewaschen und geputzt und auch unsere Klamotten werden durch die große Wäsche geschleust, man will ja seine Liebsten zu Hause schließlich gepflegt in die Arme schließen.
Schließlich fahren wir nach Montevideo und bringen das Auto auf einem Parkplatz unter. Wir selber checken in einem Hotel unweit des Hafens ein. Eine etwas zweifelhafte Gegend, aber dafür ist das Verladeterminal in wenigen Minuten fußläufig zu erreichen. Da das mit den Verschiffungen nicht immer so ganz tagesgenau ist, haben wir einen Extratag als Puffer in Montevideo vorgesehen. Der Kontakt mit unserem Verschiffungsagenten ist unkompliziert und alles scheint nach Plan zu laufen, bis man uns mitteilt, dass das Hafenpersonal am vorgesehenen Verladetag streiken wird. Also geht plötzlich alles recht schnell und sowohl die Vorbereitungen im Camp, als auch der eingeplante Extratag zahlen sich nun aus. Innerhalb einer Viertelstunde stehen wir im Hafen und schon wird unser treuer Landcruiser verladen. Dass es dabei wie aus Eimern schüttet, erklärt sich schon beinahe von selbst und passt hervorragend zu unserem Gemütszustand. Denn beinahe 50.000 km hat uns unser Buschtaxi den Kontinent rauf und wieder runtergefahren und hat uns dabei nicht ein einziges Mal im Stich gelassen. Mehr noch als das: ob windiges Patagonien – oder tropisch schwüle Karibik, ob brennende Sonne in der Atacama – oder eisige Höhen in den Anden, ob zitternde Erde in Chile – oder sturmumtostes Cap am Atlantik, stets war uns der Landcruiser ein sicherer Unterschlupf, egal wo wir ihn geparkt haben. All diese Momente ziehen in diesem Augenblick an unserem geistigen Auge vorüber. Und jetzt müssen wir uns von ihm trennen und uns von diesem Abenteuer verabschieden. Es fällt schwer festzustellen, dass auch dieses Jahr wieder viel zu schnell vorüber gegangen ist.
Die Verladecrew verzurrt unser drittes Teammitglied im engen 20 Fuß Container, dann rückt der riesige Verlade-Radladerkran an, um einen „Schütteltest“ zu machen. Schließlich werden die Containertüren verschlossen und verplombt. Und das war’s dann. Wir werden den Toyota erst wieder in fünf Wochen auf der anderen Seite des Atlantiks in Hamburg wiedersehen, hoffentlich unversehrt. Wir schlurfen leicht bedröppelt durch den Regen zurück zu unserem Hotel und versuchen unterdessen den Kloß im Hals hinunterzuschlucken. Unseren Kummer ertränken mit einer Flasche Rotwein und gönnen uns zur „Feier des Tages“ ein sündhaftes teures Abendessen in einem der Restaurants in der Markthalle am Hafen.
Am nächsten Morgen ist der Himmel schon wieder ein wenig sonniger und wir starten zur Erkundung von Montevideo. Wie den Rest des Landes, könnte man auch die Hauptstadt von Uruguay als unspektakulär schön bezeichnen. Alte koloniale Gebäude, breite Einkaufsstraßen; hier kann man es eigentlich ganz gut aushalten. Wenn Uruguay nicht eines der teuersten Länder auf unserer Reise wäre, vielleicht sogar das teuerste überhaupt. Somit verkneifen wir uns eine Shoppingtour und belassen es lediglich bei Sightseeing.
Direkt neben dem Container-Verladeterminal am Hafen befindet sich der Anleger der „Buquebus“ Fähre, die uns über die Bucht des Rio de la Plata hinüber zu unserem letzten Ziel dieser Reise bringt, Buenos Aires. Die 200 km dorthin meistert das Schnellschiff in gut 3 Stunden und ist damit ziemlich zügig unterwegs. Drüben angekommen lassen wir uns von einem freundlichen Uber Fahrer in unsere Air BnB Unterkunft im Stadtteil Recoleta bringen. 4 volle Tage haben wir zur Erkundung der Millionenmetropole zur Verfügung. Wir laufen durch Recoleta und schauen am Grab von Evita Peron vorbei, durchstreifen das Künstlerviertel Palermo, stöbern über den Markt von San Telmo mit seinen Verkaufsständen und Tangotänzern und schauen uns das Regierungsviertel mit seinen Prachtbauten an. Das Wetter spielt mit und Buenos Aires kann durchaus überzeugen. Selbst wir als eigentliche „Großstadtvermeider“ sind angetan und eigentlich gäbe es noch viel mehr zu entdecken.
Aber schließlich ist er doch da, der Abreisetag. Erneut per Uber geht’s hinaus zum Flughafen und die letzten Räder mit denen wir über südamerikanischen Boden rollen gehören zu einer Boing von British Airways, die pünktlich abhebt und uns sicher und wohlbehalten zurück in die Heimat bringen wird. Adios Südamerika und muchas gracias.
….. Was für ein Jahr……