Südamerika Argentinien Chile

Kurs Nord und ein Berg Namens Fitz Roy

01.12.2018 – 07.12.2018

Kurs Nord

Allabendlich ziehen sie durch die Gassen des kleinen Örtchens El Chaltén. Müde und abgekämpfte Gestalten, erledigt von den Strapazen des Tages, den Wanderungen rund um diesen imposant und steil aufragenden Berg namens Fitz Roy. Und genau der ist auch unser nächstes, größeres Ziel. Also Maschine starten und den patagonischen Winden erneut die Stirn bieten. Kurs: Nord.

Wir machen uns wieder auf den Weg zurück nach Puerto Natales und treffen unterwegs doch tatsächlich nach langer Zeit mal wieder unsere Containernachbarn der Fahrzeugverschiffung von Hamburg nach Valparaiso. Ein kleiner Schnack am Straßenrand und natürlich wünschen wir uns wie immer alles Gute, obwohl man stets davon ausgeht, dass man sich irgendwann und irgendwo mal wieder über den Weg fährt. Aber dieses Mal könnte es für uns tatsächlich vorerst die letzte Begegnung mit den Beiden sein, denn von nun an unterscheiden sich unsere Routen doch erheblich. Wir tauschen natürlich ein paar Erlebnisse und Routenvorschläge aus. Und zu unserem Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass eine unserer bevorzugten Möglichkeiten möglichst weit südlich auf die Carretera Austral zu kommen, derzeit, wie schon fast erwartet, unpassierbar ist. Die Grenze am Rio Mayer ist nur halb offiziell zu überqueren und das auch nur, wenn der Wasserstand der beiden Flüsse, Rio Mayer und Rio Carrera, es zulassen. Da die Schneeschmelze derzeit in vollem Gange ist, ist das aber nicht der Fall. Scheinbar haben die Zöllner grade vor ein paar Tagen den Jeep eines amerikanischen Millionärs mit schwerem Gerät aus dem Fluss bergen müssen. Also müssen wir wohl oder übel einen der anderen Grenzübergänge wählen.

Aber zunächst erkundigen wir uns in Puerto Natales noch bezüglich einer ganz anderen Möglichkeit auf die chilenische Seite der Anden zu gelangen, denn der südlichste Zipfel Chiles ist per Straße nur über Argentinien zu erreichen bzw. zu verlassen. Von Natales aus fährt nämlich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen eine Fähre bis nach Caleta Tortel an der Carretera Austral. Die Fahrt dauert etwas länger als 2 Tage und führt zum Teil durch den Bernard O’ Higgins National Park, mitten zwischen eng stehenden Inseln hindurch. Wir stellen uns das Ganze in etwa wie eine Fahrt entlang der norwegischen Fjorde vor. Schlafen kann man an Deck im Fahrzeug und die Verpflegung von drei Mahlzeiten am Tag ist im Preis inbegriffen. Leider gönnt sich die Fähre aufgrund der am 01. Dezember beginnenden Hauptsaison eine Schaffenspause und fährt in dieser Woche nicht. Das heißt wir müssten diese eine Woche noch hier in Puerto Natales und Umgebung verbringen, z.B. noch mal in den Torres del Paine fahren. Zwar würden wir uns damit in etwa 1.500 km Landweg sparen, würden aber auch die ein oder andere Sehenswürdigkeit verpassen. Wir grübeln hin und her und entscheiden uns dann für den ursprünglich geplanten Landweg entlang der argentinischen Ruta 40 gen Norden, sind uns aber tatsächlich bis zum Schluss nicht ganz sicher, ob wir da nicht mit der Fährfahrt eventuell etwas verpasst haben. Eine Reise (bzw. ein Jahr) reicht eben nicht aus, um alles richtig gemacht zu haben….

Die letzte Nacht in der Region verbringen wir am Lago Sofia. Ein Paradies für Angler, Kletterer und scheinbar Kondore. Letztere schauen sich die Männlein, die in den Felswänden hängen auch gerne mal genauer aus der Nähe an und segeln mit laut surrenden Flügeln und neugierig gereckten Hälsen an den Kletterern vorbei. Wir kraxeln ein wenig durch die Felslandschaft und kommen den Vögeln auch so recht nah. Wenn so ein Kondor nur wenige Meter an einem vorbeifliegt wird einem erst die Größe dieser Tiere bewusst. Später sehen wir einen ausgewachsen Kondor neben einem Schaf auf einer Weide hocken. Beide Tiere sind ungefäht auf Augenhöhe…..

Lago Sofia, Chile 2018
Condor am Lago Sofia, Chile 2018
Wetter-Phänomen am Lago Sofia, Chile 2018

Wir queren die Grenze in der Nähe des Torres del Paine Parks am Grenzübergang Cerro Castillo. Obwohl er an einer etwas kleineren Schotterstraße liegt, ist einiges los. Aber wie immer geht die Ausreiseprozedur in Chile recht flott (im Gegensatz zur Einreise).  Ein paar geschotterte Kilometer später stehen wir vor dem Zollbüro der argentinischen Seite, aus dem laute Rockmusik dröhnt. Der Zöllner hört gerade Helloween mit „I want out“ (wie unpassend, wir wollen nämlich rein), nimmt sich aber mit konzentrierter Strenge unseres Anliegens an. Als wir  mit der Prozedur endlich durch sind, beschallt uns das Radio dann gerade mit Ozzy Osbourne. Die Strecke bis nach El Calafate kennen wir bereits und teilweise ist sie echt in schlechtem Zustand. Aber als Abschied bekommen wir heute aus der Ferne noch ein Mal die Torres zu sehen und das von einer argentinischen Landstraße aus.

El Calafate selbst ruft schon beinahe ein „nach Hause kommen Gefühl“ hervor. Wie schon an anderer Stelle beschrieben, ist das ein eindeutigen Zeichen von: Wir müssen dringend weiter. Wir machen noch einen letzten Stopp an einem Aussichtspunkt hoch über dem unwirklich türkis schimmernden Lago Argentino und haben gerade unser Süppchen Zwecks Mittagspause gekocht, da kommt in einer Staubwolke ein Touribus neben uns zum Stehen und eine Meute fotografierwütiger Menschen springt heraus. Und da wir gerade so nett in der Landschaft stehen, werden wir und der Landcruiser gleich mitfotografiert. Lange bevor wir unsere Suppe fertig gelöffelt haben, ist die Meute auch schon wieder entschwunden. Und auch wir machen uns etwas gemächlicher auf den Weg zu unserem nächsten Ziel. El Chaltén und dem Fitz Roy Bergmassiv. Patagonien will uns aber nicht so recht vorwärts kommen lassen und bläst uns kräftig mit seinem Wind entgegen. Das Turbinchen unseres Buschtaxis hält tapfer dagegen und wir cruisen durch trockene, patagonische Hügel, vorbei an Felsen, die in allen Variationen von Erdfarben leuchten.

Oh Ja! Patagonien Argentinien 2018
Mittagspause am Lago Argentino, Argentinien 2018
Patagonien, Argentinien 2018

Wir müssen einmal um den Lago Viedma herum, in den der gleichnamige Gletscher riesige eisblaue Brocken kalbt, ähnlich wie der Perito Moreno in den Lago Argentino. Der Fitz Roy ist schon aus über 100 km Entfernung sichtbar. Wie ein Haifischzahn ragt er in den strahlend blauen Himmel. Wahnsinn, wie lange man auf so einen Berg zufahren kann und er dabei langsam immer größer wird. Die Straße führt zwischen dem Lago Viedma und einem Höhenzug namens Meseta del Viento (Hochebene des Windes) entlang, der seinem Namen alle Ehre macht. Der Wind kommt von schräg vorne und rüttelt ordentlich am Auto. Der Landcruiser macht seine Sache ganz gut, aber das französische Wohnmobil vor uns hat eine beängstigende Schräglage.

Lago Viedma und Fitz Roy, Argentinien 2018
Wind hair don’t care!!! Fitz Roy, Patagonien, Argentinien 2018
Willkommen am Fitz Roy, Argentinien 2018

In El Chaltén ist der gängige Übernachtungsplatz für Overlander unschwer zu erkennen. Auf einem Schotterplatz gegenüber der Ranger Station stehen alle möglichen Mobile. Und sogar ein Plumpsklo hat die Parkverwaltung hier aufgestellt. Da haben es die ansässigen Campingplätze bestimmt schwer, denn der ganze Spaß ist völlig kostenfrei. Genauso wie die Wanderungen durch den Park rund um den Berg.

El Chaltén an sich macht den Eindruck, als würde es mitten im Aufbruch stecken. Denn von einem Ort mit nur wenigen Hütten hat es sich mittlerweile zu einem vorzeigbaren Bergdörfchen gemausert.

El Chalten, Argentinien 2018
El Chalten, Fitz Roy, Argentinien 2018

Wir schauen uns etwas im Ort um und planen dann die Wanderung für den nächsten Tag. Neben dem Hauptakteur Monte Fitz Roy sind die Stars der Gegend der Puma und das Huemul, eine Andenhirschart, die wohl nur schwer aufzuspüren ist, weil ziemlich scheu. Wir schnallen also am nächsten Tag unsere Wanderschuhe an und laufen los. Wir haben den perfekten Tag erwischt, denn die Sonne strahlt nur so vom klaren, blauen Himmel. Das Gleiche haben scheinbar gefühlt „hunderte“ Andere auch vor, denn langsam beginnt hier die Hauptsaison. Auf den Wanderwegen verläuft es sich aber einigermaßen. Die meisten Leute befinden sich auf den Hauptrouten, den Aussichtspunkten und dem Steilstück hoch zur Laguna de los Tres. Hier sind auf einem Kilometer 400 Höhenmeter zu überwinden. Viele, viele Wanderer nehmen sich, ähnlich wie im Torres del Paine, diese Etappe für die frühen Morgenstunden vor und starten bei Dunkelheit. Dazu campieren sie im Zeltlager am Fuße des Aufstiegs, um pünktlich bei Sonnenaufgang oben an der Lagune sein zu können. Die Anstrengung lohnt sich aber, denn der Ausblick auf den Fitz Roy von der blau schimmernden, mit Eisschollen bedeckten Lagune aus ist einfach nur gewaltig. Eine Wahnsinnskulisse, erst recht wenn das Ganze von der aufgehenden Sonne rot erleuchtet wird. Wir sind zwar erst am Nachmittag da, sind aber trotzdem begeistert vom Fitz Roy.

Fitz Roy, Argentinien 2018
Gletscher am Fitz Roy, Argentinien 2018
Wanderung am Fitz Roy, Argentinien 2018
Laguna de los Tres, Fitz Roy, Argentinien 2018

Übrigens sehen wir auf der Wanderung weder Puma noch Huemul, dafür aber ein paar fleißige Spechte bei der Arbeit, sie hacken Löcher in die Bäume und fördern leckere, fette Maden zu Tage.

Camp unterhalb vom Fitz Roy, Argentinien 2018
Specht, Fitz Roy, Argentinien 2018
Specht, Fitz Roy, Argentinien 2018

Am Abend haben wir uns dann fast 30 Kilometer und etliche Höhenmeter erwandert und sind uns einig, dass vielmehr nicht mehr hätte sein müssen. Wir reihen uns ein in die Gesellschaft der Müden und Abgekämpften.

Wanderung am Fitz Roy, Argentinien 2018
Wanderung am Fitz Roy, Patagonien, Argentinien 2018

Zufrieden ob unserer übermenschlichen Anstrengungen vom Vortag, starten wir das Buschtaxi und ziehen weiter durch die patagonische Einöde. Wir lassen die bekannten Cuevas de los manos auf argentinischer Seite links liegen und nehmen auch nicht den Abzweig zum Paso Rio Mayer (seufz). Wir entscheiden uns für kleine Sträßchen, die auf unserer Karte nur ganz schwach und grau eingezeichnet sind, fast als würden sie sich verstecken wollen. Wie immer enttäuscht die Kulisse am Fuße der Anden in keinster Weise. Denn genau dort führt sie her, unsere Route. Vorbei am Lago Posadas zur Ruta 41.

Patagonien, Argentinien 2018
Guanako Nachwuchs, Argentinien 2018
Patagonien, Argentinien 2018
Wir euch auch…..Richtung Lago Posadas, Patagonien, Argentinien 2018
Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018
Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018

Wir kreuzen den Paso Roballos und seine miese Wellblechpiste und biegen ab in Richtung Norden. Die Straße ist so selten befahren, dass sie zum Teil schon wieder zuwächst. Dabei bietet sie einen wahnsinns Blick auf die chilenischen Anden. In den Bergen finden wir einen traumhaften Stellplatz an einem gurgelnden Bach und erreichen am nächsten Tag Los Antiguos am Lago Buenos Aires. Zumindest heißt er noch auf argentinischer Seite so. Denn in Chile hört er auf den Namen Lago General Carrera, obwohl es sich dabei um das gleiche Gewässer handelt.

Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018
Keilriemen nachspannen, Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018
Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018
Ruta 41, Patagonien, Argentinien 2018

Apropos Chile: Es steht mal wieder ein neuer Grenzübergang an, der nach Chile Chico. Und hier erzielen wir ganz ungewollt einen neuen Rekord. Der Landcruiser wird von gleich drei Grenzbeamten gefilzt. Ganz zu schweigen davon, dass alle unsere Taschen und Rucksäcke durch den Röntgenscanner müssen. Irgendwie scheinen wir da ein Händchen für zu haben…..

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