Südamerika Kolumbien

Kolumbien Richtung Oben

01.04.2019 – 15.04.2019

Kolumbien Richtung Oben

Wir schaukeln also weiter die recht harte Piste aus dem El Angel Park weiter bergab und erreichen recht früh die Grenze zwischen Ecuador und Kolumbien. D.h. wir fahren beinahe gleich drüber, ohne uns die nötigen Stempel zu holen. Als wir bemerken, dass wir an den entsprechenden Gebäuden schon vorbei sind, stehen wir bereits in Kolumbien. Also parken wir kurzerhand dort und marschieren zu Fuß zurück nach Ecuador, um uns und das Auto ausstempeln zu lassen. Die Formalitäten in Kolumbien sind ebenfalls zügig erledigt und die obligatorische Fahrzeugversicherung kaufen wir im nächsten Ort. Der Preis ist übrigens Verhandlungssache….

Der erste Stopp ist die Kirche in Las Lajas, die malerisch in eine Schlucht gebaut wurde, romantisch umgeben von Wasserfällen.

Las Lajas, Kolumbien 2019

In Pasto können wir bereits die ersten Auswirkungen der Demonstrationen und Straßenblockaden miterleben. Die meisten Tankstellen haben geschlossen, weil sie mittlerweile trocken sind. An den wenigen, die derzeit Sprit haben, bilden sich lange Schlangen. Menschen, die zu Fuß da sind und große Kanister mitgebracht haben, viele viele Mopeds und endlose Reihen von Taxifahrern. An jeder geöffneten Tankstelle steht die Polizei, um Tumulte zu vermeiden. Aber derzeit ist die Stimmung noch ruhig und entspannt. Wir sind jedenfalls froh, über unsere eigene Tankkapazität und Reichweite von etwa 2.000 km. Das sollte uns durch die kritische Zone bringen. Wir kommen in unserer ersten Nacht in Kolumbien bei Jorge unter, der an der Laguna de la Cocha ein kleines aber sehr schnuckeliges Hostel betreibt. Jorge spricht zu unserer Überraschung sehr gut deutsch und ist seinerseits gerade erst von einer dreimonatigen Reise durch Kolumbien zurück und schwärmt in den höchsten Tönen von der Schönheit seiner Heimat. Vertreten wurde er während seiner Reisezeit von Juan, einem Freund aus Ecuador, der nun selber hier festsitzt, weil er keinen Sprit für die Heimreise kaufen kann. Das scheint ihm aber nicht allzu viel auszumachen, denn hier im netten kleinen Bauernhäuschen direkt am See kann man es durchaus aushalten. Wir plauschen gerade ein bisschen, als zwei bekannte Gesichter um die Ecke kommen. Barbara und Anthony aus Neuseeland haben ebenfalls  den Weg hierher gefunden. Der Abend wird gesellig und wir sahnen eine Menge Tipps ab, die sogleich auf unserer Straßenkarte landen. Wir sprechen natürlich auch über die aktuelle Lage im Land, aber Jorge ist frohen Mutes, dass das Ganze in Kürze erledigt sein wird. Wir werden sehen….

Wir gönnen uns einen weiteren Tag an der Laguna de la Cocha und schippern mit einem kleinen Motorboot hinüber auf die andere Seite nach el Quinde und kraxeln dort steil bergauf durch den Regenwald. Oben angekommen eröffnet sich ein fantastischer Blick auf echten, ursprünglichen Dschungel, einer dieser Indiana Jones Momente. Und da das Ganze schließlich Regenwald heißt, werden wir auf dem Rückweg auch nass bis auf die Haut.

El Quinde an der laguna de la Cocha, Kolumbien 2019
El Quinde an der laguna de la Cocha, Kolumbien 2019

Tags drauf reißen wir uns los von diesem idyllischen Ort und steuern die Ruta 10 an. Die Straße ist auch bekannt als Trampolin da le muerte und ist eine recht steinige Holperpiste mit einigen moderaten Flussdurchfahrten und engen Passagen, an denen man mitunter auch mal rückwärts setzen muss, wenn einem ein LKW entgegen kommt. Alles in allem ist die Strecke aber nicht halb so furchteinflößend wie ihr Name. Im Gegenteil die Piste führt steil bergauf und bergab durch allerschönste Bergwälder. Eine Landschaft zum niederknien. Kurz vor Mocoa windet sich die Straße dann spektakulär in engen Kehren den Hang hinab und wir finden uns das erste Mal seit Wochen auf unter 1000 Höhenmetern wieder.

Trampolin de la muerte, Kolumbien 2019
Trampolin de la muerte, Kolumbien 2019

Wir haben die Amazonasseite erreicht und ein schwülwarmes Klima empfängt uns. Heute ist es zu spät zum weiter fahren und wir suchen uns ein Plätzchen in Mocoa. Ein Fehler, wie sich nächsten Tag herausstellt. Denn kurz hinter der Stadt endet unsere Fahrt zunächst in einer Straßensperre. Die Demonstranten teilen uns mit, dass hier heute nicht mehr viel geht. Missmutig kullern wir zurück nach Mocoa und überbringen die frohe Nachricht an Barbara und Anthony, die wir an einem Hostel antreffen. Wir sitzen gerade gemütlich beim Kaffee, als wir bemerken, dass der vorher so ruhige Verkehr allmählich wieder zunimmt. Das deutet darauf hin, dass die Straße wieder offen sein könnte. Also wieder rein in den Cruiser und zurück zur Blockade, die allerdings bereits wieder zu ist. Verdammt! Entweder hat uns dieser Demonstrant aufs Glatteis geführt oder es gab ein Missverständnis. Diesmal teilt man uns aber mit, dass die Straßensperre um sechs Uhr das nächste Mal geöffnet wird. Wir reihen uns also in den Reigen der Wartenden ein und harren der Dinge die kommen mögen. Die Schlange der LKW wird langsam immer länger, bis sie hinter der nächsten Kurve verschwindet. Die Stimmung ist allerdings in keinster Weise aggressiv oder gar feindselig. Demonstranten und LKW Fahrer schäkern miteinander, fliegende Händler kommen mit ihren Essensständen vorbei und alles wartet geduldig bis es weiter geht.

Straßensperrung bei Mocoa, Kolumbien 2019

Da wir in den vergangenen Tagen immer mal wieder Kontakt zu Heiko und Geli hatten, die auf der westlichen Route in Popayan festsitzen, wissen wir, dass das dort ganz anders zu sein scheint. Bei den Zweien scheint sich die Lage zuzuspitzen. Es ist von Anschlägen, Ausschreitungen und mindestens 11 Toten die Rede. Ganz zu schweigen von den Straßenblockaden, die die Beiden scheinbar eingekesselt haben. Für große Durchbruchexperimente fehlt den Beiden mittlerweile der Sprit (und neuen Kraftstoff gibt es dort erst recht nicht). Da Popayan scheinbar ungemütlich wird, werden die Beiden wohl nach Ecuador umkehren müssen.

Bei uns ist es dann um kurz nach 18:00 Uhr so weit. Erst kommt ein Fahrzeug der UNO durch die Blockade gefahren und dann wird die Straße wieder freigegeben. Natürlich will jeder der Erste sein und das unvermeidliche Chaos entsteht. Aber kurze Zeit später düsen wir bei einsetzender Dunkelheit und aufziehendem Nebel und Regen in die Dunkelheit des kolumbianischen Waldes. Die Piste hält bei stockfinsterer Nacht einiges an Überraschungen bereit. Bäche fließen über die Straße, im tranfunzeligen Licht der Scheinwerfer tauchen immer mal wieder umgestürzte Bäume auf, riesige Schlaglöcher, fehlender Asphalt, oder die Strecke wird gleich durch den Wald umgeleitet. Genau deswegen versuchen wir stets das Fahren bei Nacht zu vermeiden…

Nach einem Übernachtungsstopp irgendwo auf der Strecke, landen wir schließlich in San Agustin, das uns auf Anhieb gefällt. Wir kommen für ein paar Tage auf einer kleinen Kaffeeplantage unter und erkunden die bergige Umgebung. Gleich an mehreren Orten kann man alte Steinskulpturen einer längst vergangenen Kultur bewundern. Außerdem bahnt sich der Rio Magdalena, der fast ganz Kolumbien der Länge nach durchfließt und weit im Norden zu einem riesigen Fluss anschwillt, hier in einer tiefen Schlucht seinen Weg durch eine nur zwei Meter breite Felsspalte, dem Estrecho del Magdalena.

San Agustin, Kolumbien 2019
Chaquira bei San Agustin, Kolumbien 2019
Steinfiguren bei San Agustin, Kolumbien 2019
Estrecho de Magdalena bei San Agustin, Kolumbien 2019

Nachdem wir San Agustin ausgiebig erkundet haben, steuern wir den Parque Arqueológico Nacional de Tierradentro an. Hier finden sich unterirdische Grabkammern im Vulkangestein. Über deren Erbauer ist nicht wirklich viel bekannt, nur dass sie bereits weit vor den Inka hier gelebt haben müssen. Die Grabkammern sind teilweise ausgeleuchtet und man kann über steile Treppen zu ihnen hinabsteigen. Andere wieder sind vollkommen unbeleuchtet und das einzige, was den Einblick dort ermöglicht, ist das flackernde Licht der Taschenlampen.

Parque Arqueológico Nacional de Tierradentro, Kolumbien 2019
Parque Arqueológico Nacional de Tierradentro, Kolumbien 2019
Parque Arqueológico Nacional de Tierradentro, Kolumbien 2019
Unterwegs nach Paicol, Kolumbien 2019

Unser Weg führt uns an Paicol vorbei, wo wir einen kleinen Stopp einlegen, um uns die Cueva Caja de Agua anzuschauen, eine stockfinstere Höhle, in der gleich mehrere Arten von Fledermäusen leben. Jeder Höhlenforscher bekommt einen Helm mit einer kleinen Funzel dran. Das wars, sonst gibt es hier keine weitere Beleuchtung. Teilweise auf allen Vieren bahnen wir uns den Weg durchs Dunkel. Tief in der Höhle drinnen hängen sie dann dichtgedrängt in Trauben an der Decke, die Flederviecher. Teilweise schrecken sie auf und schwirren uns um die Köpfe. Auf der anderen Seite der Höhle angekommen finden wir uns im dichten Dschungel wieder und schlittern einen kleinen Bachlauf entlang über glitschige Steine. Unweit der Höhle finden wir einen geeigneten Übernachtungsplatz an den Cascada la Motilona. Hier stürzt sich ein kleiner Bachlauf über mehrere Stufen malerisch in die Tiefe und hinter einem der Wasserfälle kann man sogar baden, wenn man sich denn ins kühle Nass wagt.

Paicol, Kolumbien 2019
Höhlentour bei Paicol, Kolumbien 2019
Fledermäuse an der Decke, Höhlentour bei Paicol, Kolumbien 2019
Bei den cascada la Motilona, Paicol, Kolumbien 2019
Bei den cascada la Motilona, Paicol, Kolumbien 2019

Nach so viel Erfrischung hält unser nächster Stopp eher wieder Hitze für uns bereit. Die Desierto de Tatacoa ist die Miniaturausgabe einer Wüste. Nach der ergiebigen Regenzeit hält sie allerdings überraschend viel Grün bereit. Die Fläche ist überschaubar und nach nur einer Nacht in der Wüste hat man alles gesehen. Bei unserem „Glück“ regnet es natürlich und so wird die Ausfahrt aus der Tatacoa teilweise zum schlammigen „Vergnügen“. Übrigens, die hier wachsenden Kakteen ähneln ein wenig den bei uns bekannten „Schwiegermutter Stühlen“. Nur, dass sie am oberen Ende eine Art Schwamm haben, in dem Früchte wachsen, die so aussehen wie Peperoni. Irgendwie merkwürdig….

Desierto de la Tatacoa, Kolumbien 2019
Desierto de la Tatacoa, Kolumbien 2019
Desierto de la Tatacoa, Kolumbien 2019
Desierto de la Tatacoa, Kolumbien 2019
Kaktus mit Peperoni, Desierto de la Tatacoa, Kolumbien 2019

Auf dem weiteren Weg liegt Bogota. Kolumbiens Hauptstadt interessiert uns, wie auch schon andere Großstädte, herzlich wenig und in etwa zweieinhalb Stunden haben wir sie erfolgreich hinter und gelassen. Wir sind so schnell durch, dass wir nicht einmal ein Foto gemacht haben….

Wir steuern bei Zipaquira eine alte Salzmine an, in deren Stollen kunstvoll eine Kathedrale gehauen wurde. Das Ganze hat schon ziemlich enorme Ausmaße. Eher mehr als weniger abstrakt wurden alle 14 Stationen des Kreuzweges in den Salzstein eingemeißelt. Auf 17300qm wurden 24 von 180 Stollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine der Kapellen befindet sich 180m unter der Erde, an ihrer Decke hängen riesige Kronleuchter mit 1500 Tropfen aus Salz mit weißen und blauen Leuchtdioden zum Strahlen gebracht. Am Ende des Altarraumes der Hauptkapelle beeindruckt ein 16m hohes Kreuz, dass durch den Lichteinfall zu schweben scheint, bei näherem Betrachten aber dreidimensional aus dem Salzstein ausgehöhlt wurde. Wirklich atemberaubend diese Baukunst, uns hat es sehr gefallen.

Salzkathedrale von Zipaquira, Kolumbien 2019
Salzkathedrale von Zipaquira, Kolumbien 2019
Salzkathedrale von Zipaquira, Kolumbien 2019

Über Raquira kommend landen wir dann schließlich in Villa de Leyva, einem der touristischen Epizentren des Landes. Allerdings legen wir noch einen kleinen Stopp am Terrakotta Haus ein. Ich geb gerne zu, dass ich bei der Recherche zu Kolumbien gedacht habe: Uuiii, ein ganzes Haus aus Ton…. Na das hört sich ja mega spannend an…..

Nun allerdings, wo ich so durch die einzelnen Zimmer streife, muss ich schon sagen: Chapeau! Da konnte sich mal ein ganz kreativer Zeitgenosse so richtig loslassen. Irgendwie abgefahren das Häuschen.

Das Terrakottahaus bei Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Das Terrakottahaus bei Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Das Terrakottahaus bei Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Das Terrakottahaus bei Villa de Leyva, Kolumbien 2019

Villa de Leyva selber ist ein nettes kleines Kolonialstädtchen mit einem leicht überdimensioniert wirkenden Marktplatz. Es geht auf die Semana Santa zu, die Karwoche. Dementsprechend ist einiges los hier. Wir finden aber in vertretbarer Fußdistanz eine wirklich nette Unterkunft und bleiben ein paar Tage. Im Getümmel der engen Gassen treffen wir Alex und Christine aus dem Raum Regensburg wieder. Die beiden waren zusammen mit Heiko und Geli von der Finca Sommerwind aus in Richtung Popayan aufgebrochen, und wie sie aufgrund der Straßenblockaden einige Zeit festhingen. Nach mehreren Tagen des Ausharrens musste das Unterfangen Rammbock aufgegeben werden und die Truppe hatte Popayan zunächst wieder Richtung Süden verlassen müssen. Mittlerweile haben sie es aber bis hierher geschafft und sind über diese Route unterwegs auf dem Weg nach Cartagena, um von dort ihr Wohnmobil zu verschiffen. Abends werden die jüngsten Erlebnisse im „Sheriff“ bei Burger und Fritten ausgetauscht. Auch von Heiko und Geli haben wir inzwischen gehört, dass sie ebenfalls über das Trampolin de la muerte geholpert sind und nun wohl doch ihren bereits gebuchten Verschiffungstermin einhalten können.

Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Samstagsmarkt von Villa de Leyva, Kolumbien 2019
Villa de Leyva, Kolumbien 2019

Da sich unser Reisetempo in letzter Zeit ein wenig reduziert hat, bleiben wir auch in Villa de Leyva ein paar Tage länger. Unser nächstes Ziel ist mit Barichara eine weitere kleine Kolonialstadt. Zur Karwoche platzt das Land im Normalfall aus allen Nähten und Unterkünfte werden rar. Wir werden mal sehen, ob wird dort noch etwas finden können.

Beim Verlassen von Villa de Leyva ist uns allerdings noch nicht klar, dass das bald unser geringstes Problem sein wird….

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