Südamerika Chile

Chile’s Atacama

20.01.2019 – 31.01.2019

Chile’s Atacama

Wir bummeln weiter Richtung Norden. Immer der Küste entlang, mit beinahe erbärmlichen Tageskilometerleistungen. Wir verbringen die Tage lieber damit zwischen den Felsen am Meer herumzuspringen und Krabben zu scheuchen und auch sonst allerlei Meeresgetier zu bewundern und auch den hiesigen Fischern dabei zuzusehen, wie sie scheinbar Algen ernten. Wir schauen uns den kleinen Pan de Azucar (Zuckerbrot) Nationalpark mit seinen schneeweißen Stränden und bizarren Felsen an und machen einen Halt an der Mano del Desierto (die Hand der Wüste).

Ein Künstler hat hier eine überdimensionale Abbildung einer Hand in die Atacama gestellt, warum auch immer. Ganz nebenbei nullt unser Buschtaxi seine ersten 100.000 km voll.

Meeresgetier an der Küste, Chile 2019
Meereslebewesen, Chile 2019
Fischer, Chile 2019
Camp an der Mano del Desierto, Chile 2019
Mano del Desierto, Chile 2019

Antofagasta lassen wir links liegen. Die Umgebung sieht wenig einladend nach Schwerindustrie aus. Wir überqueren den Wendekreis des Steinbocks, der die Grenze zu den Tropen markiert und machen einen Schwenk ins Landesinnere, um uns die ein und andere Geisterstadt anzusehen.

Bei Antofagasta, Chile 2019
Wendekreis des Steinbocks bei Antofagasta, Chile 2019

In dieser Region wurde im letzten Jahrhundert mit allen Mitteln Salpeter gefördert, das damals zur Herstellung von Schießpulver oder als Dünger in der Landwirtschaft genutzt wurde. Dabei hat diese Gegend gar nicht immer zu Chile gehört. Erst seit dem Salpeterkrieg zählt sie zu Chile’s Staatsgebiet. Damals haben Bolivien, Peru und eben Chile um diesen kargen Flecken Erde gefochten. Die Geschichte kann euch Wikipedia besser erzählen als ich, aber das Ende vom Lied war, dass Bolivien seinen Zugang zum Meer verlor, Peru einige hundert Quadratkilometer einbüßte und Chile als Sieger hervorging. Wenn man hier so durch die Wüste fährt, stellt man sich unweigerlich die Frage, wieso jemand wegen dieser Einöde Krieg führen sollte. Die Antwort ist das “weiße Gold“, Salpeter. Dabei ist es schon beinahe beißender Sarkasmus, dass das Nitrat hier in der Wüste zu finden ist, wo nichts, aber auch gar nichts wächst. Und dann eben diesem Stoff es zu verdanken ist, das andernorts die Ernteerträge vervielfacht werden konnten. Chile hat mit allen Mitteln das Salpeter abgebaut, bis jemand in Deutschland ein Verfahren zur künstlichen Herstellung von Salpeter entwickelte. Ab da ging es mit den Minen bergab und heute kann man überall in der Atacama verstreut die Geisterstädte der einstigen Minenorte besuchen. Wir schauen uns als erstes Chacabuco an und später Pedro de Valdivia. In beiden Städten kann man die Geschichte nicht nur beinahe anfassen, sondern zwischen den alten Ruinen herumspazieren und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Diese kleinen Städtchen im Nirgendwo waren damals wohlhabende Orte mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten, denn der Salpeterabbau brachte viel Geld ein. Es gab Theater, Krankenhäuser, Schulen und was sonst noch notwendig war. Die Wohnquartiere waren nicht weit von den Fabriken entfernt, so dass es beinahe keinen Grund gab, den Ort zu verlassen. Man konnte also sein sauer verdientes Geld direkt wieder vor Ort loswerden. Und sauer verdient war es bestimmt. Zumindest zu dieser Jahreszeit. Wir haben Südsommer und während es derzeit im Hochland gerne und ausgiebig regnet, brennt hier nur unbarmherzig die Sonne vom Himmel. Bei der Besichtigung der Minen springen wir von Schatten zu Schatten, um nicht spontan in Flammen aufzugehen. Gar nicht so einfach.

Theater in der Geisterstadt Chacabuco, Chile 2019
Geisterstadt Chacabuco, Chile 2019
Fußballstadion in der Geisterstadt San Pedro de Valdivia, Chile 2019

Wir setzen die Reise längs der Ruta 1 direkt an der Küste fort. Die Straße schlängelt sich entlang der Strände und führt teilweise hinauf die Klippen über dem Meer. Wirklich sehr schön zu fahren. Einziger Wehrmutstropfen ist die zunehmende Belastung durch Plastikmüll links und rechts des Weges. Die Seuche des 21-sten Jahrhunderts, sie wird uns in Richtung Norden wohl häufiger begegnen, sehr schade.

An der Küste der Atacama, Chile 2019
Geier in der Atacama, Chile 2019
An der Küste der Atacama, Chile 2019

Wir landen schließlich in Iquique, das eigentlich gar nicht wirklich auf unserer Agenda stand. Wir hätten allerdings etwas verpasst, hätten wir es nicht besucht. Mit einem Augenzwinkern meinte einer der Einheimischen, Iquique sei das chilenische Miami. Und mit etwas Fantasie liegt er da gar nicht so verkehrt. Zumindest erinnern die vielen Apartmenttürme an die Metropole in Florida. Die tausenden kleinen Hütten im Stadtgebiet haben eher was von Soweto und das Stadtzentrum hat sich wohl etwas in New Orleans abgeguckt. Und das Ganze liegt irgendwie surreal in der kargen Wüste zu Füßen einer gigantischen Sanddüne, der Dunas Cerro Dragon, was für ein Name. Mit einem Wort: Sehenswert. Abends geht hier auch richtig was ab. Die Promenade brodelt nur so von Menschen. Wir haben es in Iquique in erster Linie auf die „Zona Franca“ abgesehen. Einer Zollfreien Zone, in der es nicht nur die obligatorische Shopping-Mall gibt, sondern in der sich auch die hiesige „Autohöker-Szene“ angesiedelt hat. Wir bräuchten da nämlich mal ein paar neue Reifen und die soll es hier geben. Zu unserem Leidwesen entpuppt sich die ZOFRI aber ein wenig als Enttäuschung, denn eigentlich müsste sie umbenannt werden in Zona Chinesia. Sowohl die Mall, als auch die Automeile sind überschwemmt von Chinaprodukten. Einzig das Angebot von einem Pirelli Laden scheint halbwegs interessant, wenn auch kein Schnäppchen. Aber so richtig zum Kauf durchringen können wir uns auch nicht. Also geht’s weiter auf den alten Schlappen. Wir werden es andernorts nochmal versuchen. Die Automeile ist aber trotzdem hoch spannend anzusehen. Lagerhausweise gibt es Regale mit gebrauchten Motoren, Achsen und allem Anderen, was das Schrauberherz begehrt. Sollte uns unser Taxi mal abhanden kommen, können wir es hier ziemlich sicher stückweise wieder zusammen kaufen…..

Iquique, Chile 2019
ZOFRI in Iquique, Chile 2019
Iquique, Chile 2019
Iquique, Chile 2019
Iquique von Oben, Chile 2019

Von Iquique geht es ansatzlos wieder etwa 1.000 Meter hinauf in die Atacama. Wir schauen uns den Gigante de Atacama an, der größten Geoglyphe der Welt, der uns vorsichtig ausgedrückt aber nicht unbedingt aus den Schuhen haut.

Gigante de Atacama, Chile 2019

Für die Nacht parken wir direkt vor der nächsten Geisterstadt auf dem Programm, Santiago Humberstone. Ebenfalls eine ehemalige Saltpetermine und in noch hervorragendem Zustand. Vor allem die alten Industrieanlagen haben es uns angetan. Hier könnte man stundenlang herumstreifen, wenn es denn nicht so abartig heiß wäre. Unvorstellbar, dass damals unter diesen Bedingungen so hart körperlich gearbeitet wurde. Aber die Jobs waren begehrt und sogar ausländische Arbeiter aus Nordamerika und Europa haben sich darum gerissen. Wie auch schon bei den anderen beiden Minenstädten, die wir besucht haben, lag der begehrte Rohstoff direkt vor den Toren der Stadt. Mit riesigen Schaufelbaggern wurde die oberste Sandschicht abgetragen, um an das darunter liegende Nitrat zu gelangen, dem dann mit Sprengstoff und allerlei schwerem Gerät zu Leibe gerückt wurde. Die zerwühlte Erde wurde einfach so zurück gelassen und sieht auch heute noch geschunden und zernarbt aus. Faszinierende Geschichte, allerdings wie so oft zum Nachteil des Planeten.

Santiago Humberstone, Chile 2019
Santiago Humberstone, Chile 2019
Herr Lehrer, ich weiß was. Santiago Humberstone, Chile 2019
Santiago Humberstone, Chile 2019

In den letzten Tagen hat uns immer wieder unsere Routenplanung beschäftigt. Durch die Venezuela Krise, müssen wir ja eh umdisponieren und anders fahren, als noch ursprünglich gedacht. Es ist aber die eigentliche Königsetappe einer jeden Südamerikareise, die einfach nicht in die Streckenführung passen will: Die Lagunenroute in Bolivien, fährt man am Besten ca. im Oktober, oder ca. April/Mai. Wir könnten sie allerdings entweder jetzt im Januar bzw. Februar fahren, wenn dort Regenzeit ist, oder ungefähr im Juli, dem Südwinter mit nächtlichen Temperaturen von -20°C und darunter. Beides nicht optimal. Wir überlegen hin und her und entscheiden uns dann gegen eine Befahrung in der Regenzeit. Zu abgeschieden ist die Region und sogar die örtlichen Touranbieter stellen überwiegend den Betrieb ein.

Stattdessen setzen wir die Reise in Richtung Peru fort, wollen aber vorher nochmal zumindest einen kleinen Eindruck der Regenzeit im Hochland gewinnen und fahren hinauf in die chilenischen Anden in Richtung Salar de Surire. Dabei kommen wir am Geysirfeld von Puchuldiza vorbei. Hier brodelt es aus vielen kleinen Erdspalten und Löchern und ständig schießt irgendwo kochendes Wasser aus der Erde hervor, gruselig.

Viscacha, Chile 2019
Geysir de Puchuldiza (ziemlich mittig steht der Landcruiser), Chile 2019
Thermalfeld Geysir de Puchuldiza, China 2019
Aymaradorf Isluga, Chile 2019

Wir übernachten auf ca. 4.000 Meter und tatsächlich regnet es die ganze Nacht durch. Wir besuchen das nahegelegene Aymara Dorf Isluga mit dem gleichnamigen Vulkan im Hintergrund, der sich allerdings in den Wolken versteckt. Die Wege werden langsam weich (Teerstraßen sucht man hier vergebens), als wir Kurs auf den Salar de Surire nehmen. Autos begegnen uns hier keine und auch die Ortschaften sind menschenleer. Vor dem trüben, grauen Himmel wirkt alles trostlos und verlassen. Immer wieder regnet es, als wir durch das Reserve Nacional las Vicunas fahren. Für eine kurze Pause am Salar kommt aber doch kurz die Sonne raus und wir können die Landschaft bestaunen, in der Flamingos durch den Salzsee stolzieren und Vikunjas am Ufer grasen.

Salar Surire, Chile 2019
Salar Surire, Chile 2019

Kurze Zeit später ist es dann fast soweit. Die Piste führt bis Höhe des Salzsees hinunter und liegt vielleicht sogar ein wenig darunter, was dazu führt, dass der Weg schlammig und rutschig wird. Eine Pampe von der Art, die einem augenblicklich das Reifenprofil verstopft. Trotz der alten Reifen schlägt sich das Buschtaxi aber recht wacker und zieht sich nochmal aus dem Dreck. Als wir schließlich am Lago Chungara, dem höchstgelegenen See der Welt, auf 4566 Meter ü. NN. Wieder auf Asphalt stoßen regnet es schon wieder und leider können wir die dahinter liegenden Vulkane nicht wirklich sehen. Die Entscheidung, die Lagunenroute nicht während der Regenzeit zu fahren, scheint die richtige gewesen zu sein, denn bei diesem Wetter kommt die Landschaft einfach nicht Geltung.

Kandelaber Kakteen, Chile 2019

Wir machen uns an unseren nächsten Abstieg und fahren herunter nach Arica. Die Straße scheint die Hauptversorgungsroute Bolivien’s mit Kraftstoff zu sein. Denn entweder schleppen sich vollbeladene Tanklaster im Schritttempo den Berg hinauf oder sie erscheinen im leeren Zustand oftmals in beängstigendem Tempo im Rückspiegel. Die Straßenführung macht auf jeden Fall Spaß und bei etwa 2.000 Höhenmetern sehen wir unter uns die ersten grünen Täler in der ansonsten eher sandfarbenen Landschaft. Mit jedem Höhenmeter den wir verlieren, bekommen wir eine bessere Ahnung von dem, was uns da unten erwartet. Feucht-heißes Klima. Arica liegt am Pazifikstrand der Atacama und die Regenzeit macht die Luft schwül und schwer. Gerade haben wir noch in den Bergen bei einstelligen Temperaturen gefröstelt, nun dringt der Schweiß aus allen Poren.

Arica bildet für uns den nördlichsten Punkt unserer Chilereise. Und nach dem letzten Ölwechsel auf Feuerland ist es nun hier oben erneut Zeit für neuen Schmierstoff im Toyota. Außerdem finden wir einen Händler, der „unsere“ Reifen auf Lager hat, daher gibt es hier zwei neue Neumaticos. Die erste Nacht verbringen wir auf einem mückenverseuchten Campingplatz in wenig einladender Umgebung. Gerade als wir dort noch ein paar kleinere Wartungsarbeiten am Auto durchführen, kommt uns ein Buschbrand etwas zu nahe. Aber die Bomberos (Feuerwehr) sind zur Stelle und probieren gefühlt all ihre Gerätschaften aus, um dem Brand Herr zu werden.

Ölwechsel in Arica, Chile 2019
Verdienter Reifenwechsel in Arica, Chile 2019
Der hat’s überstanden. Verdienter Reifenwechsel in Arica, Chile 2019
Wartezeit überbrücken. Reifenwechsel in Arica, Chile 2019

 

 

Um zahlreiche Mückenstiche reicher, entscheiden wir uns die zweite Nacht in Arica direkt am Strand zu verbringen. Hier hat sich, ganz Sankt Peter Ording like, eine kleine Zeltstadt gebildet, in die wir uns nahtlos einfügen. Mit nettem Blick auf das nächtliche Arica und einem Ozeanriesen im Sonnenuntergang geht er zu Ende, unser letzter Tag in Chile, zumindest vorerst. Nach nun mittlerweile vier Monaten des hin und her Hüpfens zwischen Chile und dem Nachbarn Argentinien werden wir uns morgen endlich anschicken den nächsten Länderpunkt zu holen. Auf geht’s nach Peru. Wir sind gespannt….

 
Ablenkung bei den Wartungsarbeiten, Chile 2019
Am Strand von Arica, Chile 2019
Abendstimmung am Strand von Arica, Chile 2019

 

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