Südamerika Argentinien

Puerto Deseado

05.11.2018 – 06.11.2018

 

Puerto Deseado

 

Der Orkan flaut langsam ab und zieht ein Schlechtwettergebiet hinter sich her. Wir haben geplant in Puerto Deseado eine kleine Bootstour zur „Isla Pingüinos“ zu unternehmen. Es gibt mehrere Anbieter, von denen allerdings derzeit nur „Darwin Expeditions“ zur Insel raus fahren. Wir schauen dort vorbei und werden herzlich von Roxana begrüßt. Aufgrund des Wetters findet die nächste Tour erst wieder am Dienstag statt. Somit haben wir noch einen Tag in Puerto Deseado gewonnen. Den verbringen wir damit, die Schotterpisten am Nordufer des gleichnamigen Flusses entlang zu pirschen. Hier befindet sich das Brutgebiet einer ganz besonderen Kormoranart. Im Deutschen heißt sie wohl Buntscharbe. Der Name wird dem Vogel aber nicht gerecht (wir entwickeln uns hier noch zu Ornithologen).

Die Vögel haben ihre Nester an den Steilklippen des Flussufers und sind eigentlich relativ leicht aufzuspüren. Man muss nur nach vollgeka…… Felsen suchen. Der weiße Guano der Federviecher ist meilenweit zu sehen. Da sie jedoch in den Steilwänden hocken, muss man dann aber noch einen geeigneten Zugang finden, ohne die Vögel bei ihrem Brutgeschäft zu stören und ohne von den Nachwehen des Orkans von den Klippen gepustet zu werden. Der Aufwand lohnt sich, denn wir haben noch nie einen so merkwürdigen Vogel mit derart hypnotischen Augen gesehen.

Bei einer Kaffeepause in einer der seltenen Sonnenscheinphasen vergessen wir dann glatt unseren kleinen Plastiktritt, den wir aufgrund unseres betagten Alters zum Ein und Aussteigen durch die Hecktür brauchen, am Kiesstrand einer kleinen geschützten Bucht. Das fällt uns aber erst abends auf, als wir bereits bei Darwin Expeditions vor der Tür stehen. Wir dürfen nämlich gleich vor dem Geschäft kampieren. Kaum haben wir eingeparkt, geht auch schon wieder ein ganz gepflegtes Gewitter hernieder. Wir flüchten uns in die gute Stube unseres Gastgebers und Roxana versorgt uns erstmal mit Tee und Keksen und wiederholt gebetsmühlenartig, dass morgen das perfekte Wetter für die Tour zur Pinguininsel auf uns wartet. Zum Sonnenuntergang tut das Wetter dann auch schon wieder so als wäre nichts gewesen und taucht die letzten Wolken am Himmel in goldenes Licht. Der Wind lässt langsam nach und wir können zum Schlafen sogar das Dach aufklappen.

Kaum zu glauben nach den Wetterkapriolen der letzten Tage, aber am nächsten Morgen scheint die Sonne vom strahlend blauen Himmel und für patagonische Verhältnisse weht ein laues Lüftchen. Kalt ist es immer noch, aber dagegen kann man sich anziehen. Die schlabberige Jogginghose dient heute als lange Elli und das T-Shirt wird wie in den guten alten Zeiten bis tief in den Schlüpfer gesteckt, damit der Rücken nicht kalt wird. Warme Socken und Winterjacke komplettieren das Ensemble, mit dem wir nun leider keinen modischen Stich mehr machen können, aber zumindest werden wir den Tag ohne Lungenentzündung überstehen. Nach und nach treffen alle weiteren Gäste bei Darwin Expeditions ein und pünktlich um acht Uhr sitzen wir alle auf dem Zodiac Schnellboot. Mit von der Partie: Roxana und Ricardo, unser immer lächelnder und tiefenentspannter Skipper. Kurze Einweisung und schon legt Ricardo den Gashebel nach vorn und lässt den Zodiac wie einen Stein übers Wasser flitschen. Kleiner Tipp: solltet ihr mal mit so einem Ding fahren, versucht einen Sitzplatz weiter hinten zu ergattern, eure Bandscheibe wird’s euch danken.

Es geht hinaus aufs offene Meer. Die ersten Albatrosse kommen in Sicht und recht zügig auch die ersten Delfine. In diesem Falle Peale Delfin, oder auch betreffenderweise „weiß-blaue Delfine“. Die scheinen einen Narren an unserem Boot gefressen zu haben und hüpfen und wirbeln um den Zodiac herum. Ricardo lässt sich Zeit und genießt das Schauspiel genauso wie seine Passagiere. Schließlich gibt er dem quietschgelben Schnellboot aber wieder die Sporen. Das Ganze hat etwas von Baywatch und ich würde liebend gerne wie David Hasselhoff mit wehendem Brusthaar am Bug des Bootes stehen. Allerdings beißt der Fahrtwind doch ziemlich ins Gesicht und daher bleiben die Klamotten lieber an.

Wir nähern uns der Pinguininsel und umrunden vorher noch einen großen Felsen, auf dem sich eine Seelöwenkolonie nieder gelassen hat. Die Paschas sitzen inmitten ihrer Harems und beäugen uns misstrauisch. Einige der Robben stürzen sich vom Felsen in die Fluten und scheinen mit ihrer Neugier zu kämpfen, trauen sich aber nicht näher ans Boot heran. Zwischen Seelöwenfelsen und Pinguininsel herrscht eine ziemlich Strömung und das scheint die Delfine irgendwie magisch anzuziehen. Die Peale sind wieder da und auch ihre kleineren Verwandten, die Commerson Delfine. Knirpse von kaum einem Meter Länge und schwarz-weißer Zeichnung. Mindestens so verspielt wie ihre etwas größeren Artgenossen tanzen sie ums Boot, in einer Art und Weise, dass man gar nicht weiß, zu welcher Seite man schauen soll.

Crew wie Gäste sind verzückt und können sich kaum losreißen. Aber schließlich lautet unser „Auftrag“ heute: Pinguininsel. Also steuert der Skipper einen Felsvorsprung des Eilands an und lässt uns von Bord. Er selber steuert das Schnellboot zu einem Ankerpunkt in der Bucht und wird später mit einem Kajak nachkommen.

Roxana führt uns auf die Insel und gibt uns erstmal Instruktionen, wie wir uns zu verhalten haben, schließlich befinden wir uns in einem Naturschutzgebiet. Sie erzählt uns auch, dass die Insel früher einmal von Robbenjägern bewohnt war, die die Tiere gejagt und hier zu Öl verarbeitet haben. Heute sind die Häuser alle verfallen. Nur der Leuchtturm ragt noch immer über der Insel empor. Wohin man schaut brüten Magellanpinguine in den Felsspalten und Ruinen der verfallenen Gebäude. Die Paare bleiben ein Leben lang zusammen und haben sich erst vor wenigen Wochen auf der Insel eingefunden. Die ersten haben bereits Eier im Nest und das Brutgeschäft aufgenommen. Wir schleichen vorsichtig an den Nestern vorbei. Roxana ist sehr darauf bedacht, dass wir uns möglichst langsam vorwärts bewegen, um so viel wie möglich beobachten zu können. Wir kommen am Leuchtturm auf der Kuppe vorbei und nähern uns langsam der Hauptattraktion: den Felsenpinguinen, oder auch Rock Hoppern.

Die Art ist eigentlich auf den Falklandinseln vor (oder Islas Malvinas wie die Argentinier sie nennen. Der Stachel sitzt immer noch tief). Aber vor etlichen Jahren war die Population dort so groß, dass es keinen Platz mehr gab. Ein paar Exemplare erreichten daraufhin diese Insel und gründeten eine neue Brutkolonie. Seit dem wächst und gedeiht sie scheinbar prächtig, denn mittlerweile gibt es über 1.000 Brutpaare hier. Auf den Falkland Inseln hingegen musste diese Art schwere Verluste hinnehmen. Wegen Überfischung der umliegenden Gewässer wurde die dortige Population von 2,5 Mio Brutpaaren auf 300.000 dezimiert.

Diese kleinen Kerle mit den gelben Augenbrauen und roten Augen sind zu drollig anzusehen, wie sie mit ihren kurzen Beinchen über die Felsen hopsen. Auch sie starten gerade ins Brutgeschäft und sind derzeit, dabei ihre Nester zu bauen. Dazu werden allerlei Steine und Matsch herbeigeschafft, alles was sich auch den kargen Felsen finden lässt, um das Eigenheim wohnlicher zu gestalten. Einige der Männchen sammeln behutsam Kieselsteine auf, um sie dann feierlich den Weibchen zu Füßen zu legen. Ein ganz besonders fleißiger Kerl hüpft unermüdlich durch die Kolonie, Fels um Fels ab und klaubt mit seinem Schnabel allen Matsch zusammen, den er nur finden kann. Die Brust ist schon ganz dreckig von der Maloche und wenn es sein muss, klaut er auch das Nistmaterial bei den Nachbarn. Besonders den scheinbar verhassten und größeren Magellanpinguin versucht er mehrfach zu beklauen, was jedes Mal mit lautstarkem Gezeter quittiert wird. Das könnte man sich wirklich den ganzen Tag anschauen.

Nach ein paar Stunden schleichen wir weiter über die Insel zu einer Gruppe Seelöwen. Ausschließlich Männchen und Roxana erklärt uns, dass das entweder noch junge Männchen sind, die den Kämpfen um die Harems noch nicht gewachsen sind, oder bereits alte Männchen, die bereits so einige Gefechte ausgetragen und sich nun auf ihr Altenteil zurück gezogen haben. Unter die Junggesellenbande haben sich auch zwei Seeelefanten gemischt und geben bei diesem direkten Vergleich ein sehr eindrückliches Bild von ihrer schieren Größe. Ein ausgewachsener Seelöwenmann ist schon eine imposante Erscheinung, wirkt aber geradezu zart im Vergleich zu den 4-Tonnern.

Unser Skipper Ricardo, der übrigens in der Zwischenzeit mit noch mehr Kameragedöns als seine Gäste über die Insel gewatschelt ist, hat bereits alles fürs im Paket inbegriffene Mittagessen vorbereitet. Nach getaner Arbeit schwingt er sich wieder in sein Kajak und paddelt zum Schnellboot hinaus, an dem er bereits von den Delfinen erwartet wird. Zusammen mit den funkelnden Wellen des Meeres ist das fast zu kitschig um wahr zu sein. Augen auf bei der Berufswahl, kann man da nur sagen….

Auf der Rückfahrt legt der Kapitän noch eine Schippe drauf und obwohl wir schon mehr als eine Stunde über der veranschlagten Zeit liegen, lassen es sich Roxana und Ricardo nicht nehmen, den erneuten Besuch der Commerson Delfine mindestens genauso zu genießen, wie ihre Gäste. Zwischenzeitlich springen acht der kleinen schwarz-weißen Miniwale und noch der ein oder andere Peale Delfin ums Boot. Durch das klare Atlantikwasser sind sie wunderbar zu beobachten. Unglaublich wie wendig die Meeressäuger sind und wie sie scheinbar aus dem Nichts beschleunigen können. Eine Herausforderung für jeden Fotografen.

Roxana hat Wort gehalten, es war ein perfekter Tag für die Tour. Und wegen der 2-stündigen Verlängerung gibt es auch garantiert keine Beschwerden. Crew und Gäste haben den Ausflug gleichermaßen genossen und kehren mit zufriedenen Mienen in den Hafen zurück. Das wird uns noch lange in Erinnerung bleiben und hat unsere Erwartung bei Weitem übertroffen. Wir steuern am Abend unser Taxi wieder in die Bucht in der wir gestern unseren kleinen Tritt vergessen haben. Und siehe da, er wartet noch an Ort und Stelle auf uns. Kurze Zeit später gesellt sich ein Schweizer Pärchen dazu, das uns in den letzten Tagen und Wochen schon öfter über den Weg gelaufen ist und auch heute bei der Tour dabei war. Bis spät in die Nacht wird getratscht, über vergangene Reisen und was noch kommen soll. Wir kommen spät in die Federn und auch heute ist das Wetter wieder mild mit uns gestimmt. Im Schutze der kleinen Bucht können wir erneut bei offenem Dach schlafen.

Puerto Deseado hat sich durchaus gelohnt und kann „wärmstens“ weiter empfohlen werden.

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