Südamerika Argentinien

Von der Estancia der Toten zum heulenden Leuchtturm

29.10.2018 – 05.11.2018

 

Von der Estancia der Toten zum heulenden Leuchtturm

 

Alte Overlander Weisheit: Wenn du so lange an ein und demselben Ort bist, dass du ohne Karte und ohne zu fragen die Einrichtungen für deinen täglichen Bedarf findest, ist es an der Zeit weiter zu ziehen. So ist es bei uns in Puerto Madryn. Wir finden Banken, Lebensmittelgeschäfte und Tankstellen, als wären wir hier bereits sesshaft geworden. Schließlich drücken wir uns hier und auf der Valdes Halbinsel bereits gute zwei Wochen herum. Also brechen wir nach einer letzten Nacht auf dem hiesigen ACA Campingplatz unsere Zelte ab und tuckern weiter. Übrigens bekommt man hier bei Vorlage der ADAC Mitgliedskarte tatsächlich Rabatt…..

Unser nächstes Ziel ist Punta Ninfas. Berichten zu Folge soll die Straße dorthin schlecht sein und man sollte sie bei Regen nicht befahren. Tatsächlich ist es eine Wellblechpiste der unangenehmeren Art. Das es auf halber Strecke anfängt zu regnen, ist aber nicht unsere Schuld. Nicht lange und die ersten Schlammbrocken fliegen. Aber im Großen und Ganzen nichts, das unser Taxi an seine Grenzen bringen würde. Mit einem normalen PKW allerdings würde man hier schnell auf Grund laufen und die zahlreichen Spuren in den durchgewühlten Schlammpfützen zeugen von dem Einen oder Anderen Drama, das sich hier bereits abgespielt hat.

Punta Ninfas liegt ca. 100 Meter hoch auf einer Steilklippe, von der man unten im Meer derzeit Seeelefanten beobachten kann. Entweder tummeln sie sich an den Felsen, oder liegen faul auf dem Kies. Etwas weiter die Piste runter findet sich ein Abstieg zum Strand, an dem man zu den Kolossen herabsteigen kann. Dabei sollte man allerdings nicht vergessen, dass diese so träge daliegenden Tiere immer noch wild sind. Wer will sich schon mit 4 Tonnen Kampfgewicht anlegen?

 

Wir beschließen die Nacht hier bei Punta Ninfas zu verbringen und werden diese Entscheidung noch ein wenig bereuen. Denn viel Schlaf bekommen wir nicht. Die vier schweren Stahlseile, mit denen der Leuchtturm gesichert ist, hätten uns vielleicht ein Fingerzeig sein sollen…

 

Der Wind zerrt die ganze Nacht am Auto. Das Dach haben wir eh nicht aufgeklappt und der bisherige „Hühnerkäfig Modus“ wird nun in „Patagonien Modus“ umbenannt werden müssen.

Leicht unausgeschlafen treten wir am nächsten Morgen die Weitereise an. Wie auf dem Hinweg beschlossen, halten wir in Trelew an, um das dortige Museum zu Ehren des vermutlich größten Dinosauriers aller Zeiten zu besuchen. Ursprünglich hatte ich ihn als Argentinosaurus „beschimpft“. Welch ein Frevel! Denn genau diesen hat er als bis dahin geltenden Rekordhalter abgelöst, wie uns niemand geringerer als David Attenborough

versichert. Ich korrigiere also. Hier handelt es sich um einen Titanosaurier der „Marke“ Patagotitan Mayorum. Mea culpa!

 

Nachdem wir das klargestellt haben, geht’s weiter südwärts. 

Aber erst noch Geld abheben! Das gestaltet sich derzeit irgendwie schwierig. Egal bei welcher Bank wir es im Moment versuchen, wir können nicht mehr als 4.000 Pesos abheben. Und darauf verlangen die Banken in etwa 400 Pesos (fast 10 Euro) Gebühren, die pro Transaktion zu entrichten sind, unabhängig vom Betrag den man abhebt. Vor 2 Wochen konnten wir noch problemlos 8.000 Pesos abheben, da taten die Gebühren nicht ganz so weh. Wenn möglich zahlen wir eh mit Kreditkarte, da werden maximal 1,75% fällig. Eine weitere Möglichkeit wäre der Tausch von Dollar, aber auch daran möchte eine Bank natürlich etwas verdienen, also muss man da auch ganz genau hinschauen: Wechselkurs, Gebühren etc.

Hier in Trelew finden wir eine BBVA Frances Bank, an der wir die gewohnten 8.000 Pesos bekommen. Also stopfen wir uns die Taschen voll mit Geld und ab durch die Mitte.

Wir lassen Punta Tombo links liegen, auch wenn es die größte Ansammlung von Pinguinen außerhalb der Antarktis ist und düsen weiter über die gut gepflegte Schotterpiste Ruta Provincial 1. Magellanpinguine gibt es entlang der Küste auch an anderen Puntas. Hauptaugenmerk bei der Wahl der Übernachtungsplätze liegt auf windstillen Plätzchen. In einer Kiesgrube für den Straßenbau scheinen wir für heute Nacht eine gute Wahl getroffen zu haben. 

 

Wettertechnisch schöpfen wir immer noch aus dem Vollen. Entweder es ist kalt und regnerisch, oder es ist sonnig, saukalt und stürmisch. Auf Valdes hatten wir tatsächlich mal zwei Tage, an denen das Thermometer die 20°C Marke geknackt hat. Gemerkt haben wir davon beinahe nix, weil der kalte Wind es immer mindestens 10° kälter erscheinen lässt. Egal mit welchem Einheimischen wir darüber gesprochen haben, alle waren derselben Meinung: Es ist mindestens 10° zu kalt, der Regen ist völlig untypisch und der Wind kommt auch aus der falschen Richtung….

Wir bewegen uns derzeit so um den 42-sten Breitengrad Süd. Das entspräche auf der Nordhalbkugel so in etwa der Breite von Rom. Ach, eine laue römische Frühlingsnacht, das wäre jetzt was.

Haben wir halt Pech mit diesem Frühjahr, aussuchen können wir es uns eh nicht. Und da wir in Richtung Süden unterwegs sind, wird es auch nicht unbedingt wärmer werden.

Die Pinguine besuchen wir also in Cabo dos Bahias, anstatt in Punta Tombo. Nicht ganz so groß, aber trotzdem interessant. Die kleinen Frackträger wachsen einem sofort ans Herz. Der ganze Hang ist mit Bruthöhlen übersäht, zwischen denen auch noch Guanacos stolzieren. Die Pinguine haben sich kleine Trampelpfade vom Meer bis zu den Bruthöhlen angelegt und watscheln immer hin und her. Zum Schreien, wenn sich einer der kleinen Kerle unter einem tief stehenden Grasbüschel hindurch duckt und dann weiter watschelt.

 

Die Ruta 1 ist hier übrigens ein Traum von Schotterpiste. Die Straße ist in gutem Zustand und die Landschaft ist einfach zum Genießen. Entweder geht es durch hügeliges Buschland oder auch gerne mal an der Küste entlang. Es gibt Guanacos, Nandus, Maras und Gürteltiere zu sehen. Bei den Maras ist Janina übrigens der Ansicht, dass sich da wohl Fuchs und Hase etwas zu lange und etwas zu intensiv „Gute Nacht“ gesagt haben.

 

An einer Salzlagune entdecken wir sogar mal wieder Flamingos. Leicht verstörend ist allerdings der hiesige Brauch gerne mal eine tote Wildkatze an die Schafsgatter zu hängen. Nicht schön.

 

An einer verlassenen Estancia finden wir Windschutz hinter einem kleinen Wäldchen. Das alte marode Windrad, das immer noch Wasser aus dem Boden pumpt, quietscht gruselig vor sich hin und kaum haben wir den Motor abgestellt, sammeln sich die ersten Geier direkt über uns, neugierige Gesellen mit hässlichen roten Köpfen. Janina vermutet bereits, dass drüben in den verfallenen Holzhäusern die Leichen der ehemaligen Estancieros vor sich hin oxidieren. Wir werden sehen, ob sie uns heute Nacht heimsuchen… 

 

 

Der weitere Verlauf der RP1 verlangt dann tatsächlich etwas mehr Bodenfreiheit. Kein Problem für unser Taxi, aber mit einem normalen PKW ist hier schnell Ende, besonders in einem der trockenen Flussbetten. Und nach starken Regenfällen dürfte das Ganze dann auch mit 4×4 interessant werden.

 

Nachdem wir unzählige Estancia Tore auf und nach dem Durchfahren auch wieder zu gemacht haben, erreichen wir wieder die Ruta 3. Bei Fernreisenden ist diese Straße im Gegensatz zur Ruta 40 nicht allzu beliebt. Von Buenos Aires bis fast hinunter nach Feuerland führt sie durch überwiegend ödes Gebiet. Meistens thront die Straße dabei auf einem hohen Damm und somit ist man dem permanenten Wind Patagoniens praktisch schutzlos ausgeliefert. Das Lenkrad steht eigentlich immer leicht schief, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Erschwert wird das Ganze dann noch durch knöcheltiefe Spurrinnen, oder löchrigem Asphalt. Ganz besonders spannend wird es immer dann, wenn einem einer der unzähligen LKW entgegenkommt. Erst trifft einen der Druck der Bugwelle, dann, im Windschatten, fehlt plötzlich der Seitenwind und am Schluss erfasst einen der Sog, den der Brummi hinter sich herzieht. Tanzt man jetzt noch über die erwähnten Spurrinnen, wird es nicht langweilig. Daher weichen wir, wann immer es möglich ist, auf die kleinen Schottersträßchen aus. Das kostet zwar wesentlich mehr Zeit, wird aber so gut wie immer mit Wildsichtungen belohnt.

Wir passieren Comodoro Rivadavia. Die Stadt ist zwar nicht schön, scheint aber die Ölhauptstadt des Landes zu sein. Überall stehen die typischen Ölpumpen in der Landschaft herum, sogar um die Ecke der Seelöwenkolonie am hiesigen Strand, der wir einen kurzen Besuch abstatten. Wie immer ist das ein ganz besonderes Geruchserlebnis. Die Robben zanken oder liegen einfach faul am Strand. Kurzzeitig kommt mal richtig Stimmung in die Bude, als eine kleine streunende Katze auf die Kolonie zuschlendert. Den lautstarken Protest der Seelöwen quittiert der Taschentiger mit gelangweiltem Blick und schreitet dann schließlich gemächlichen Schrittes wieder davon. 

 

Über Rada Tilly geht es für uns weiter zum Cabo Blanco. Wir könnten passender nicht kommen, denn die hier vorkommenden Felsenpinguine haben derzeit eh keine Saison und außerdem zieht ein Sturm auf. Am Cabo trotz ein Leuchtturm hoch auf einem Felsen Wind und Wetter. Der Wind ist so heftig, dass es unmöglich ist, um den Turm herum zu laufen. Man würde hier glatt einfach davon geweht werden, das hab ich so noch nie erlebt. Am Fuße des Leuchtturmfelsens stehen wir einigermaßen windgeschützt und lassen das Dach heute natürlich mal wieder zu. Das Meer tost, der Wind heult die ganze Nacht um den Leuchtturm und sein fahles Licht leuchtet in regelmäßigen Abständen dumpf durch die Gischt. Wir liegen also im stockfinsteren Landcruiser auf zwei Quadratmetern und fragen uns, ob da draußen die Sturmböen am Auto wackeln, oder der Geist des letzten Leuchtturmwächters. Definitiv gruselig.

 

Wider Erwarten überstehen wir die Nacht unbeschadet und sehen zu, dass wir hier weg kommen. Auf dem Weg über die Schotterstraßen in Richtung Puerto Deseado treffen wir wieder die üblichen Verdächtigen: Nandu, Guanaco, Maras, Gürteltiere und diesmal auch einen Fuchs. Der tut gut daran gleich zu verschwinden. Denn die Farmer hier schießen diese Tiere zu Hauf und hängen sie dann als Trophäen an ihre Estanciatore.

In Puerto Deseado angekommen, finden wir Zuflucht auf dem hiesigen Campingplatz und stellen uns dort in den Windschatten des Duschhäuschens. Denn auch heute tobt der Sturm weiter. Im Wetterbericht steht zu lesen: Sturmböen bis 130 km/h. 

 

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